Freies Netzwerk Kultur : Die Kunst ist eine paradoxe Ressource
Tine Lowisch über das neue Rettungspaket und welche Änderungen in der Kunst- und Kulturszene angestoßen werden sollten.
Gestern lief die erste staatliche Corona-Soforthilfe auch für Solo-Selbstständige Künstler aus. Und was folgt jetzt? Nach gerade einmal drei Monaten: der Neustart Kultur. So heißt das, in dieser Form noch nie da gewesene, mit unvorstellbar viel Geld ausgestattete Konjunkturpaket, das jetzt kommt. Dieses Paket scheint weitsichtig. Allerdings sollte die Milliarde Euro, die in ihm steckt, so angelegt werden, dass es die Geschichte vom breitgefächertem Kunst-und Kulturangebot in den Städten fortschreibt und die Wirksamkeit von erleichtertem Zugang zur Kunst und Kultur weiterhin nachweist.
Die außerordentlichen Härten des Künstlerberufs, die die Corona-Krise, wie durch ein Brennglass hat sichtbar werden lassen, wird es hoffentlich erst einmal abfedern. Damit dies nachhaltig gelingt, sind nun aber wirklich alle, die es betrifft, und die etwas Konstruktives dazu beizutragen haben, in der Pflicht, sich wirksam in die aktuelle Diskussion mit einzubringen. Es genügt jetzt nicht mehr allein zu singen, zu tanzen, zu malen, oder zu machen. Auch Künstler sind nun aufgerufen, kulturpolitisch kreaktiv zu werden. Denn alles, was bisher an kultureller Infrastruktur aufrechterhalten wurde, kommt nun auf den Prüfstand: Große Häuser in kleineren Städten zum Beispiel – geht das noch? Aus meiner Sicht nur, wenn diese sich aus eigener Überzeugung zur Straße hin öffnen. Wenn sie den Mehrwert in dieser Strategie noch nicht erkennen, sollten sie dazu motiviert werden und sich zum Beispiel ihren freischaffenden Künstlerkollegen mehr zuwenden, indem sie diesen ihre bald wieder besseren Bedingungen, die ja subventioniert aufrechterhalten werden, freigebiger zur Verfügung stellen. Ein großes Haus hat viel Platz für alle. Ich kenne niemanden aus meinem Umfeld, der die große Bühne als persönliche Chance ausschlagen würde.
Darüber hinaus sollte die bisher gängige Praxis, das immer wieder versucht wird, Einfluss auf die Inhalte künstlerisch reflektierter gesellschaftlicher Themen durch die Projektmittelgeber genommen wird, endlich aufhören. Die Kunst ist doch frei?