Ausstellung In der Hengesbach Gallery ist jetzt ein „Stein im Haus“

Die Galerie zeigt Arbeiten des jungen Düsseldorfer Bildhauer Tristan Ulysses Hutgens. Er setzt sich   mit Material und Produktionsweisen auseinander

 Tristan Ulysses Hutgens neben seiner Arbeit „In between“ – der Künstler stellt in der Hengesbach Gallery aus.

Tristan Ulysses Hutgens neben seiner Arbeit „In between“ – der Künstler stellt in der Hengesbach Gallery aus.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Ein so gewaltiger Koloss sei noch nie in sein Haus transportiert worden, sagt Rolf Hengesbach und lächelt. Nun beherrscht die über zwei Meter hohe und über eine Tonne schwere Stele aus belgischem Granit einen der beiden Ausstellungsräume im Erdgeschoss seiner Galerie an der Vogelsangstraße. Eine Ausstellung, die den erst 28 Jahre alten Bildhauer Tristan Ulyses Hutgens und einen „sperrigen“ Skulpturenbegriff präsentiert. „Stein zu Haus“ ist der nahe liegende wie unverschnörkelte Titel der Schau, die seit Sonntag (bis 24. Juni) neben Skulpturen auch Fotoarbeiten zeigt. Interessante Sichtachsen erlaubt und zur Auseinandersetzung mit Material einlädt.

Schon als Kind wollte Tristan Ulysses Hutgens, der in Düsseldorf aufwuchs, wissen, „wie etwas funktioniert, was die Substanz von etwas ist“. Außerdem habe er ein großes Interesse an Masse, sagt er und schaut dabei auf besagte Stele, die „In between“ heißt und in diesem Jahr entstand. Als Schüler entschied er, den Forscherdrang an der Akademie schulen zu wollen, tat dies ab 2014 in Düsseldorf, wurde dort 2018 Meisterschüler von Professor Didier Vermeiren, verließ die Akademie 2020 mit dem Akademiebrief. Der Wuppertaler Galerist Hengesbach wurde auf ihn aufmerksam, als er vor zwei Jahren eine Einzelausstellung des Förderpreisträgers in der Neuen Galerie von Gladbeck besuchte und befand, dass der junge Künstler die ihm zur Verfügung gestellten zwei Räume souverän und überzeugend bespielte. Es folgten Atelierbesuche, Gespräche und schließlich die Entscheidung zur Ausstellung.

Wissen wollen, wie
etwas funktioniert

Tristan Ulysses Hutgens‘ Arbeiten passen weder zum klassischen Bildhauerbegriff noch zu dessen zeitgenössischen Erweiterungsmöglichkeiten, die sich mit den Dingen beschäftigen, um Formschönheit und -erkennen. Er setzt bei der (meist lebendigen) Materie selbst an, sucht seinen eigenen, grundlegenden und systematischen Zugang zu den Dingen, behält dabei die Produktionsweisen im Blick. „Das Aufsuchen des ‚Rohen‘ und der zahlreichen Handhabungs- und Eingriffsmöglichkeiten“ sei ihm wichtiger, als das Ergebnis zu betrachten, beschreibt Hengesbach. „Das Experimentelle baut und die Beobachtung leitet“, sagt der Künstler. Ein Ziel, eine angestrebte Form, gibt es nicht, auch kein richtig oder falsch. „Am Ende meines Studiums habe ich erkannt, dass es nicht darum geht, ob etwas gefällt. Ich will nicht irgendwo hin“, erzählt Hutgens.

Vielmehr zeige das Material selbst, was es sei. Etwa, wenn er eine golden glänzende, quadratische Messingplatte nimmt und Säure auf ihre Mitte gießt. „Der Versuch durch eine Messingplatte zu ätzen“ (so der Titel) endet nicht mit einem Loch, das Material schält sich frei und zeigt sein Inneres. Besucher der Galerie können sich in der Galerie von der erst vor Kurzem entstandenen Arbeit faszinieren lassen.

Als Galerist und Künstler die Ausstellung konzipierten, waren die Granit-Stelle und drei rötliche Keramikarbeiten gesetzt – hinzu kamen 14 weitere Arbeiten aus Stahl und Kupfer, Shoji-Papier, Messing, Bleiguss, Barytpapier, Grünstein und Granit, Keramik. Auslöser für die dunkelgraue Säule „In between“ war ein Durchgang in Hutgens Atelier. Er setzte sich mit ihm, seiner materiellen Manifestation auseinander, beschaffte sich Granit (“ein wundervolles Material“, das ihm Widerstand bietet und viel Kraft abverlangt) und begann sich mit diesem auseinanderzusetzen. Er bezog dabei auch dessen Geschichte ein, die bis in die Zeit griechischer Tempelkunst zurückgeht, weshalb „In between“ Säulenstrukturen aufweist. Aber nicht nur. Der Raumkörper trägt Spuren unterschiedlicher Überlegungen und Bearbeitungswege, hat außen polierte und innen matte Flächen, ist exakt und auch uneben. Die Arbeit habe etwas Archaisches und sei zugleich ein Selbstporträt, fasziniere in ihrem Spiel zwischen edlem Äußeren und rohem Inneren, so Hengesbach.

Auch „KG-315“, „From Top-Inside-Out II“ und „Another Brick in the Wall“ tragen zwar unterschiedliche Namen, bestehen aber alle aus rötlichem Ton und werden in der Ausstellung als Gruppe gezeigt. In festen Röhren hat Hutgens innen Ton angetragen, das Material beobachtet, wie es – auch in einem Hochtemperaturofen – trocknete und riss. Nun ist die „Haut“ der Skulpturen spröde und hart, während innen die Spuren des händischen Auftrags zu erkennen sind.

Dass Hutgens auch in der Fotokunst unterwegs ist, ist ebenfalls den Skulpturen geschuldet. „Das Fotografieren hilft mir, um zu sehen, was ich verpasst habe“, sagt er. Er hält jeden Schritt seiner Bearbeitungsprozesse mit einer Kleinbildkamera fest. Und manchmal bearbeitet er später die Bilder, sodass sie selbst Kunst werden.

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