Premiere : Dieser Zorn findet keinen Ausweg
Das Wuppertaler Schauspielensemble bringt Osbornes Stück eindringlich auf die Bühne.
Es geht um Zorn, zerstörerischen Zorn. Der Begriff der „angry young men“ wurde zwar im Nachkriegsengland der 50er Jahre geprägt, zornige (junge) Menschen sind aber ein zeitloses Phänomen. Das John Osbournes Theater-Stück „Blick zurück im Zorn“ - das 1956 in London uraufgeführt, damals etliche junge Dramatiker beeinflusste - ins Hier und Jetzt rückt. Ohne große Verrenkungen und Übersetzungen. Osbornes Erzählung ist brandaktuell, inklusive der ausbleibenden Lösung. Am Freitag setzte das Wuppertaler Schauspiel seinen Zorn in Szene. Beeindruckend, überzeugend und frustrierend zugleich. Still und nachdenklich begab sich das Publikum nach dem Applaus zur Premierenfeier im Theaterfoyer am Engelsgarten.
Pankaj Mishras Buch erschien im Juni 2017, sein Titel: „Das Zeitalter des Zorns“. Das Wuppertaler Programmheft zitiert den britisch-indischen Intellektuellen, der sich mit dem Hass in der und auf die Welt auseinandersetzt, der Menschen zu Terroristen, Amokläufern oder Rassisten werden lässt, der Shitstorms in den sozialen Medien hervorbringt, Demos in Straßenschlachten verwandelt oder Populisten an die Macht wählt. Der durch den Modernisierungsprozess der Gesellschaft entwurzelte Mensch ist gespalten, fühlt sich ungenügend, ohnmächtig, sucht Schuldige dafür. Findet sie im Hass auf „Feinde“ - Flüchtlinge, Eliten, Andersdenkende, Erfolgreiche. So menschlich und nachvollziehbar, so gefährlich. Auch unveränderbar?
„Sehr früh habe ich gelernt, was zornig sein heißt - zornig und hilflos. Und ich kann das nicht vergessen“, sagt Jimmy Porter in Osbornes Stück. Der Sohn einer Arbeiterfamilie und verkrachte Student lebt vom Bonbonverkauf. Er verwandelt seinen Frust über die (von den Politikern versprochene, aber) nicht eingelöste Chancengleichheit in Zynismus und Provokation, die er vor allem an seiner Frau Alison abreagiert, die aus einer konservativen Offiziersfamilie stammt und der er in Hassliebe tief verbunden ist.
Dieser (Lauf-)Steg dreht
sich im (Teufels-)Kreis
Das junge Regieteam Mirjam Loibl (Regie) und Thilo Ullrich (Bühne und Kostüme), das Intendant Thomas Braus vom Münchener Residenztheater geholt hat, verortet das Beziehungsdrama in einem dunklen, weitgehend leeren Raum - beherrscht von einem ständig sich drehenden, mehrere Meter langen Laufsteg. Ein Uhrzeiger, der wie die Zeit Stillstand verwehrt, ein Hindernis, das immer wieder überwunden werden muss, ein Teufelskreis, dem nur durch Verlassen der Drehbühne und damit des Geschehens aus dem Weg gegangen werden kann. Ohne dass die Zeit angehalten, ein Ziel erreicht, die Konflikte gelöst werden. Das zudem hin und wieder zur Waffe wird, wenn jemand es heftig anschiebt und so den darauf Stehenden zwingt, sich festzuklammern.
Diese vieldeutige Spiel-Basis wird um eine sparsame, stets fokussierende, manchmal gespenstische Beleuchtung und eine elektronische Gitarre ergänzt, mit der keine Musik, sondern Zufallstöne erzeugt werden. Das Münchener Team hat dafür eigens Constantin John mitgebracht, der für experimentelle elektronische Musik steht. Nur die Schauspieler mit ihrer Kleidung und so mancher Satz des Stückes erinnern an die 50er Jahre.