Christian Hellmich: Ein Maler feiert in der Kunsthalle Premiere

Christian Hellmich zeigt seine erste große Einzelausstellung. Der 35-Jährige spielt mit architektonischen Formen, leuchtenden Farben und unterschiedlichen Formaten.

Herr Hellmich, in Wuppertal ist ab Sonntag Ihre erste große Einzelausstellung zu sehen. Wie kamen Sie überhaupt zur Kunst?

Christian Hellmich: Eigentlich wollte ich Comic-Zeichner werden, habe aber festgestellt, dass diese narrative Struktur doch nicht meine Welt ist — und dass die Kunst viel mehr bietet. Ich habe innerhalb der Bildenden Kunst viel ausprobiert, also alle Medien bespielt — bis ich zur Malerei zurückgekehrt bin. Sie ist mich für das wahre Medium. Durch die Malerei kann ich am besten transportieren, was mich bewegt.

Was bewegt Sie denn?

Hellmich: Der rote Faden meiner Arbeit ist, dass meine Bildwelten relativ modular zusammengestellt sind. Daraus ergibt sich, dass der Betrachter den Eindruck hat, etwas zu erkennen, ohne es wiederzuerkennen. Der Betrachter hat die Möglichkeit, sein eigenes Bild zu formen, sich ein eigenes Bild zu machen. Die Form ist geschlossen, andererseits aber auch offen. Das zieht sich durch alle Werke und ermöglicht ein Erkennen ohne ein Wiedererkennen. Ich mag dieses Verhältnis von Offenheit und Geschlossenheit. Das Baukasten-System ist sehr wichtig für mich — ich glaube an das System.

System scheint auch zu haben, dass Sie keine Menschen malen. Weshalb?

Hellmich: Das hat sich aus zweierlei Gründen so entwickelt. Ich habe gerade am Anfang sehr viel Architektur gemalt. Da steckte schon so viel Menschliches drin, dass alles Zusätzliche zu viel gewesen wäre. Außerdem war mir klar, dass es Menschen braucht, die die Bildwelten zusammensetzen. Das war und ist Teil des Entstehungsprozesses. Ich möchte den Betrachter einbeziehen. Deshalb haben meine Werke am Ende viel Menschliches in sich. Der andere Aspekt ist: Ich möchte kein leidendes Fleisch malen.

Kein leidendes Fleisch?

Hellmich: Ja, in der Malerei der Nachkriegszeit war der Mensch vor allem leidendes Fleisch. Das wollte ich nicht — nicht für mich. Die Frage ist allerdings, wie lange das so bleibt. Denken Sie mal zehn Sekunden lang nicht an einen Elefanten . . .

Das heißt: Sie könnten sich durchaus vorstellen, bald auch Menschen zu malen?

Hellmich: Ja, ich habe mich so lange geweigert, dass es eigentlich nur eine Frage der Zeit ist, bis es passiert.

Zurück zur Gegenwart: Nach welchen Kriterien wurde Ihre Ausstellung in der Von der Heydt-Kunsthalle zusammengestellt?

Hellmich: Ich wollte der Versuchung widerstehen, es chronologisch zu machen. So bietet die Ausstellung die Möglichkeit, die einzelnen Werkgruppen in Verbindung zueinander zustellen — die älteste Arbeit hängt beispielsweise neben einer ganz frischen.

Es fällt vor allem auf, dass Sie sehr unterschiedliche Formate wählen. Darunter sind kleine, aber auch sehr große.

Hellmich: Wenn ich male, habe ich eine relativ grobe Vorstellung davon, was passieren soll. Das Format ist eine Hauptvorgabe und die einzige Konstante in der Planung. Ich mag alle Formate — die größeren sind vor allem körperlich sehr anstrengend, die kleineren haben etwas Intimeres. Sie ermöglichen dem Betrachter eine intimere Beziehung zum Bild. Die kleinen Werke sind deshalb genauso wichtig wie die großen.

Kommen wir beispielsweise zur „Treppe III“, einem der größten Blickfänge der Ausstellung. Wie entstand das Bild?

Hellmich: Die erste Überlegung war, dass ich dick auftragen wollte. So gibt es absurd viel Farbe auf dem Bild. Die große grüne Fläche hatte allerdings auch Folgen: Es hat furchtbar gestunken. Das Atelier roch drei Wochen lang wie ein Fischladen. Eine andere wichtige Überlegung war, eine Bildstörung einzubauen — das funktioniert so nur in der Malerei. Die blaue Schleife folgt also keiner rationalen Logik. Alles in allem ist es ein Bild, unter dem sich viele Bilder befinden. Als Maler ist man ja in der glücklichen Situation, dass man notfalls einen Eimer Farbe darüber schütten und übermalen kann. Das Prozesshafte ist mir sehr wichtig. In meinen frühen Bildern war das Gegenständliche sehr stark, zwischenzeitlich wurde es weniger, jetzt kommt es wieder zurück. So wird es sich immer wieder vor- und zurückentwickeln. Ich bin selbst gespannt, wie es weitergeht.

In welcher Tradition sehen Sie sich derzeit?

Hellmich: In viele der neueren Arbeiten sind die Themen Verdrängtes, Angst und Gewalt eingeflossen. Malerei ist ja ein Medium, an dem man sehr direkt ablesen kann, was den Künstler bewegt. Sie hat einerseits etwas Klares und Definiertes — und will dabei auf Brüche hinaus. Andererseits ist es etwas sehr Berührendes. Ich selbst mag die zweite impressionistische Welle, also die französische Malerei des vorletzten Jahrhunderts. Das war ein Zwischenzustand. Es ging noch nicht um den Abstraktionsprozess, aber man begann, Farben und Formen aufzulösen.

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