Bürgerradio vor dem Aus? Talkultur-Sendung braucht Sponsoren zum Überleben  

Brigitta Hildebrand bietet im Bürgerradio niederschwellige Kulturbeiträge für die Wuppertaler. Nun droht das Aus.

 Brigitta Hildebrand kämpft für die Fortführung ihrer Talkultur-Sendung auch im kommenden Jahr. 

Brigitta Hildebrand kämpft für die Fortführung ihrer Talkultur-Sendung auch im kommenden Jahr. 

Foto: Fries, Stefan (fri)

Alles fing mit Virgil Thomson an. Oder zumindest vieles. Weil Brigitta Hildebrand aus einem Interview mit dem US-Komponisten für ihre Dissertation ein Feature fürs Radio machte, entdeckte sie das Medium für sich und ihre Leidenschaft für Kulturbeiträge. Das war Ende der 1980er Jahre. Heute kennt man sie in Wuppertal als Moderatorin von Talkultur, das jeden zweiten Freitag im Monat im Bürgerradio des Wuppertaler Privatradios ausgestrahlt wird. Nach dem fünften Jahr droht nun das finanzielle Aus.

Brigitta Hildebrand ist gebürtige Duisburgerin, studierte in Köln Germanistik und Musik auf Lehramt, promovierte in Musikpädagogik. Durch ihren Mann kam sie 1991 nach Wuppertal, wo sie seither lebt. Sie zog zwei Kinder groß, holte ihr zweites Staatsexamen nach und arbeitete als Lehrerin. Die Radio-Arbeit wurde ihr unregelmäßiger Lebensbegleiter. Sie verfasste kulturelle Beiträge für öffentliche Radiosender, nachdem ihre Beiträge über Virgil Thomson (“den amerikanischen Eric Satie“), und George Antheil Tür und Tor geöffnet hatten. Am Radio fasziniere sie „das gesprochene Wort. Mit Betonungen kann man Bilder und Geschichten im Kopf der Menschen anregen“, erklärt die quirlige 65-Jährige.

Über einen Flyer kam sie Ende der 90er Jahre zu einem dreitägigen Kurs „Radio für Einsteiger“, den die Medienabteilung der Zweigstelle Wuppertal/Solingen des Katholischen Bildungswerks der Erzdiözese Köln im Stadthaus am Laurentiusplatz anbot. Sie erwarb den „Radioführerschein“ und arbeitete fortan mit: Als Moderatorin, vorzugsweise aber als Autorin eigener Beiträge, indenen sie kulturelle Angebote über Kunst und Künstler in der Stadt auf niederschwellige Art und Weise den Menschen näherbrachte. Der Medientrainer des Hauses, André Müller, riet ihr, daraus ein eigenes Format zu schmieden. 2016 ging im Kilowatt (Kirchlicher Lokalfunkwerkstatt)-Radio Talkultur auf Sendung, deren Name bewusst das Tal in Wuppertal und den Talk vereint.

Für 2021 ist erst die Hälfte
der Gelder gesichert

Kernstück der etwa 53-minütigen Sendung mit Autorenbeitrag, Veranstaltungskalender und Musik ist „Auf ein Wort“, ein Gespräch mit Protagonisten der freien und der Hoch-Kultur. Während der Sendetag von Anfang an der zweite Freitag im Monat war, wanderte die Uhrzeit der vorproduzierten Sendungen zwischen 19 und 21 Uhr hin und her. An die erste erinnert sich Brigitta Hildebrand noch genau, weil sie den Leiter der Tonleiter-Konzerte, Gerald Hacke, zu Besuch hatte und passend zu seinem Programm der „Vierzehn Arten Regen zu beschreiben“ Eislers Opus einspielte. Es war das erste und letzte Mal, dass sie die Musikfarbe des Radiosenders außer Acht ließ.

Viele schöne Gespräche habe sie seither geführt, auch immer wieder mit der Technik auf Kriegsfuß gestanden, erzählt Hildebrand. Was nur schwer zu glauben ist, wenn man sie in dem kleinen Selbstfahrerstudio wirbeln sieht. Zum Beweis führt sie ein Interview mit Hajo Jahn an, das sie zweimal habe führen müssen: „Es ging um ein wichtiges Event der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft. Ich erreichte ihn in Italien auf dem Handy. Das Netz war schlecht. Als das Gespräch fertig war, entdeckte ich, dass ich den Aufnahmeknopf nicht gedrückt hatte. Er nahm es gelassen, meinte nur, er müsse dann mal vom Boden aufstehen und sich eine Steckdose suchen.“

Wirkliche Probleme bereitet die Finanzierung ihrer Sendung, die die ersten Jahre über die Medienabteilung der Erzdiözese Köln und das Land lief. Nach dem Wechsel der Regierung 2017 wurde der Landeszuschuss gestrichen und entschied das Bildungswerk der Erzdiözese, nur noch Sendungen zu unterstützen, die genuine Themen des Hauses behandeln. Hildebrand ging auf die Suche nach Sponsoren, fand sie in der Werner Jackstädt-Stiftung, die für zwei Jahre (2019 und 2020) die Finanzierung sicherte. Die Verwaltung der Gelder übernahm das Freie Netzwerk Kultur.

Weil die Stiftung aber keine Dauerförderung betreiben darf, muss ab 2021 neu gedacht werden: 400 Euro braucht die Radiomacherin im Monat. Das Forum Rex Maximum habe 200 pro Monat in 2021 zugesagt, berichtet sie. Fehle noch die andere Hälfte, die nun über Crowdfunding auf Betterplace.org eingesammelt werden soll. „Ich habe schon mal die halbe Sendung, die Förderanträge laufen, außerdem freuen wir uns über jeden Euro, der gespendet wird“, gibt sich Hildebrand kämpferisch.

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