Berlin lässt grüßen: Die Sinfoniker hauchen der Metropole neues Leben ein

Ein Konzert der Reihe „Stummfilm und Livemusik“ überzeugte akustisch wie optisch.

Elberfeld. Kann ein Film ohne Drehbuch, ohne Darsteller, ohne Sprache, der dennoch kein Dokumentarfilm ist, überhaupt spannend sein? „Berlin — die Sinfonie der Großstadt“ kann es.

Zum Stummfilm, den Walther Ruttmann 1927 gedreht hat, schrieb Mark-Andreas Schlingensiepen 1987 eine sinfonische Orchesterfassung der Filmmusik von Edmund Meisel, die nur noch als Klavierauszug erhalten war. Unter seiner Leitung spielte das Wuppertaler Sinfonieorchester nun diese Fassung und entließ die Zuschauer mit vielen optischen und akustischen Eindrücken in die Sommerpause. Denn erst die lebendige und passgenaue Musik konnte den Bildern das Leben einhauchen.

In fünf Akten schildert der Film das Leben im Berlin der 20er Jahre. Ruhig erwacht die Stadt, Wasserwellen wogen mit leerem Streicher-Rauschen, nur Hund, Katze, Tauben und ein umhertreibendes Papier bevölkern die Straßen. Aber wie wimmelt es, als die Menschen erwachen: Da hört man in den Instrumenten die Kinder zur Schule trippeln, die Arbeiter zum Fabriktor marschieren. Der rote Faden sind die Fahrzeuge: die Eisenbahn, von der fauchenden Dampflok gezogen, die Straßenbahn, auf die man während der Fahrt aufspringen kann, die vielen Autos auf ihren hohen Rädern und dazwischen immer wieder von Pferden gezogene Wagen.

Die Fabrikszenen begleiten mechanische Geräusche, hämmernder Rhythmus des Orchesters und schrille Dissonanzen, etwa wenn flüssiges Metall in die Guss-Form fließt. Faszinierend ist es aus heutiger Sicht, wie stimmig der Film das Lebensgefühl der damaligen Zeit vermittelt.

Arbeiter und ihre Pausen, Mode und Modenschauen, sportliche Freizeitvergnügen und Abendveranstaltungen im Varieté, Essen in noblen Restaurants und Kinderspiele: Der Film fängt das Leben der Reichen und bittere Armut ein. Tempo bekommt er nicht nur durch die Musik, sondern auch durch sehr rasche und für die Zeit ungewöhnliche Filmschnitte, die kaum ein Eintauchen in Szenen zulassen. Dennoch bleiben Eindrücke haften: Da ist etwa der Bettler, der Zigarettenstummel aufliest. Und wenn der Abend in die Großstadt einzieht, verklingt auch die hektische Musik, verschwinden die Autos im Nebel mit leisem Sirren, Sausen und Klingeln. Das abendliche Feuerwerk gibt einen Eindruck davon, wie modern die Filmtechnik schon 1927 mit ihren Sujets umgehen konnte.

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