Verschobenes Jubiläumsjahr Beethovens „Ode an die Freude“ entsteht im Netz als Orchesterwerk

Die Bergische Musikschule hat eine Vorreiterrolle im Digitalen. Zwei pandemietaugliche Formate zum Jubiläum des Komponisten.

 In der Pandemie unmöglich: Ein Kind probiert beim Tag der Instrumente eine Gitarre aus.

In der Pandemie unmöglich: Ein Kind probiert beim Tag der Instrumente eine Gitarre aus.

Foto: Musikschule/Antje Zeis-Loi

Ludwig van Beethoven war letztes Jahr - stimmt und stimmt auch nicht. Jedenfalls jährte sich 2020 sein Geburtstag zum 250. Mal, das Jubiläumsjahr aber wurde in 2021 hinein verschoben. Wegen der Corona-Pandemie ist Social Distancing Gebot, sind Live-Angebote fast unmöglich.  Das Jugendsinfonieorchester der Bergischen Musikschule schuf deshalb eine ganz besondere Aufnahme der „Ode an die Freude“, außerdem haben sich das Zupfensemble der Schule und die Folkwang Musikschule Essen  zu einem Projekt unter Pandemiebedingungen zusammengefunden: „Beethoven - WoO.con.var“ (Werke ohne Opuszahl mit Variationen).  Hier wie da ist das Internet die musikalische Bühne.

Weil die Musiker nicht gemeinsam in einem Raum spielen konnten, entwickelten Oliver Kerstan (Dozent für Bands) und Bruno Ventocilla (Fachbetreuer Streicinstrumente) ein Konzert-Konzept, das aus Einzelaufnahmen besteht, die erst durch die exakte Zusammenführung zum Orchesterklang wurden.

Jeder nahm seinen Part
zu Hause mit dem Handy auf

Jeder habe zu Hause seine Stimme mit einem Lehrer einstudiert, erklärt Musikschul-Pressesprecherin Ursula Niemeyer-Slawig. Mit der jeweiligen Hertzzahl (für die Stimme) und Metronomzahl (für das Tempo) habe er seinen Part schließlich mit dem Handy aufgenommen. Techniker Kerstan habe die Filme dann auf den Punkt genau zusammengefügt, ein erstaunlich stimmiges Klangergebnis erzielt.  Im Netz (Youtube) kann man sich Beethovens Ode nun anhören und -sehen. Zur Musik kommt ein Film, bei dem   Dirigent Ventocilla die in kleine Bilderrahmen gefügten Einzelaufnahmen (die in Orchesteranordnung an einer Wand hängen) zum Leben erweckt.

Eine ganz spezielle Annährung an Beethovens Werk unternimmt das   Wuppertal-Essener Musikschulprojekt „Beethoven – WoO.con.var“ Es stellt vier Stücke Beethovens für Mandoline und Gitarre der 1970 entstandenen Hommage „Ludwig van“ von Mauricio Kagel gegenüber. Entstehen soll ein Dokumentarfilm aus experimentellen Bild- und Musikkombinationen, Aufnahmen herkömmlicher Konzertsituationen, Kommentaren der Beteiligten und dokumentarischen Szenen aus dem Entstehungsprozess, erklärt Corinna Schäfer, die Schulkooperationen und Zupfinstrumente für die Bergische Musikschule betreut.

Die „Gegenüberstellung einer normalen, traditionellen Konzertaufnahme mit dem Ansatz der Dekonstruktion Kagels, die hier als eine Rekonstruktion verstanden werden will“, mache den Reiz aus. Kagel-Spezialist Karl-Heinz Zarius bringt seine künstlerische und pädagogische Expertise ein, technische Unterstützung leistet Hans-Ulrich Holst, der bereits das „Bühnenbild“ in einen Film umgesetzt hat, Grundlage der musikalischen Auseinandersetzung.

Im Frühjahr 2019 begann die Planung, im Frühjahr 2020 folgten erste Proben. Seither gibt Corona die Fortschritte vor: Mal lief alles nur online, mal war ein Probenwochenende  möglich, im Februar 2021 wurde der Videopart mit Bühnenbild, dem „Beethovenzimmer“, in der Musikschule gedreht. Derzeit wird wieder über Zoom geprobt, soll ein Teil der Tonspur eingespielt werden. Das finale Aufnahmewochenende steht für den 26. und 27. Juni an. All das verursacht Mehrkosten - bei denen die Jackstädt-Stiftung hilft.

Tag der offenen Tür ist
digital nicht zu ersetzen

Beide Projekte stehen exemplarisch für eine Entwicklung, die die Musikschule in der Coronakrise eingeschlagen und die sie in eine Vorreiterrolle in Sachen Digitalisierung geführt hat. Um den persönlichen Kontakt mit den Schülern zu halten, für sie da zu sein und zugleich die Berechtigung zu behalten, die 180 Lehrkräfte (über 60 Prozent Freiberufler) weiter  zu bezahlen, hat die Einrichtung seit letztem Jahr ein umfangreiches Onlineangebot aufgebaut, hat den Unterricht ins Digitale gerettet. Das komme gut an, habe Abgänge bei der Schülerzahl verhindert, ermögliche sogar neue persönliche Beziehungen und führe zu Anfragen anderer Musikschulen, freut sich Niemeyer-Slawig.

Sie will aber die Schattenseiten nicht verschweigen. Sicher gebe es Abzüge beim Klang, technische Schwierigkeiten, so Niemeyer-Slawig, das Digitale ersetze nicht die Präsenz. Die Tage des Instruments, den Tag der offenen Tür, das Ausprobieren der Instrumente, JeKits („Jedem Kind ein Instrument“) und andere Formate, die gerade auch die Kleinen neugierig auf Musik und Instrumente machen sollen. „Da müssen wir viel in Schnupper- und Ferienkurse investieren“, sinnt die Klavier-Dozentin und Leiterin der Bezirksstelle Vohwinkel nach Abhilfe.

Und kommt wieder auf das umfangreiche Videoangebot auf der Homepage der Musikschule und der Junior Uni. Die detaillierten Instrumentenvorstellungen, die Mitsingangebote, das Kiwi-Gewinnspiel müssen vorerst reichen.

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