André Wiesler: Unterwegs im Auftrag des Humors

Der Wuppertaler (39) ist Slam-Poet, Autor, Komiker und manches mehr. Er liebt den Auftritt — auch ohne Star-Ruhm.

André Wiesler: Unterwegs im Auftrag des Humors
Foto: privat

Wuppertal. „Stellt euch vor“, fordert André Wiesler seine Zuhörer in der Börse auf, „ihr seid an einem tropischen Strand. Die Sonne scheint, das Wasser ist blau, der Sand ist weiß und heiß. Um euch herum: wunderschöne Menschen, spärlich bekleidet. Ihr habt einen Drink in der Hand. . .“ Er macht eine Kunstpause, atmet tief durch, während er den Blick über die Zuschauer wandern lässt. „Der Text“, verkündet er, „ist das genaue Gegenteil davon.“ Das Publikum lacht, Wiesler legt richtig los. „Abnehmen ist auch keine Lösung“ heißt sein neues Bühnenprogramm.

Seit fünf Jahren bringt der Wuppertaler (39) sein Publikum mit ironischen Geschichten aus dem Alltag zum Lachen. Am Anfang seiner Karriere als „Slam-Poet“ bereiste er die Lesebühnen und Poetry-Slams der Region, bevor er sich mit seinem Kollegen David Grashoff zum Autorenduo Wuppertaler Wortpiraten zusammenschloss. Vor etwa drei Jahren rief er den Wortex ins Leben, Wuppertals eigenen Poetry-Slam.

Da am Ende das Publikum über den Sieger entscheidet, kommt es beim Slam vor allem auf die Inszenierung an. Requisiten sind nicht gestattet. „Die Performance macht dreißig bis achtzig Prozent des Auftritts aus“, sagt Wiesler. Am Anfang habe er das unterschätzt. Mit seiner Erfahrung als Sketch-Autor für Formate wie „RTL Samstag Nacht“ glaubte er, bei seinem ersten Slam sofort brillieren zu können. Stattdessen schied er schon nach der Vorrunde aus.

„Ich habe mich sehr über mich selbst geärgert. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich hab mich vors Internet gesetzt und mir Videos angeschaut, um zu lernen, wie das geht. Nach zwei Monaten bin ich wieder hin und hab den ersten Platz gemacht.“

Sein Germanistikstudium brach er ab, wollte lieber mit eigenen Texten arbeiten. Anfangs schrieb er Comedy-Sketche und Drehbücher. Arbeitete als Dialogautor eines Computerspiels, als Übersetzer und als Romanautor. Sechzehn Bücher hat er seitdem veröffentlicht.

Seit 2012 arbeitet er beim Ulisses Spiele Verlag in Waldems als Projektmanager. Auf der Slambühne sieht man ihn seither seltener. „Slams bedeuten lange Anfahrten für fünf Minuten auf der Bühne. Mittlerweile bevorzuge ich Soloauftritte, da gehört mir die Bühne 90 Minuten allein. Auch wenn ich dann nicht vor 200 Leuten spiele, sondern, wenn’s mal nicht gut läuft, vielleicht nur vor zehn.“

Viel verdient er dabei nicht. „Meistens gibt es einen Teil des Eintrittsgeldes. Manchmal wird man auch gebucht. Wer bereit ist, die Ochsentour zu machen und durch Deutschland zu reisen, der kann sich davon allein bestimmt einigermaßen ernähren“, erzählt Wiesler. „Aber wer auf großen Ruhm aus ist, ist auf Kleinkunstbühnen nicht gut aufgehoben. Das ist mehr Kultur als Mainstream, da steckt nicht das große Geld.“

Natürlich gebe es auch Ausnahmen wie Julia Engelmann, deren Auftritt beim Bielefelder Hörsaal-Slam auf YouTube mehr als sechs Millionen Mal geklickt wurde. Aber nur einem sehr kleinen Teil gelinge es, große Bekanntheit zu erlangen.

Wer dennoch sein Talent in Slam-Poetry oder auf Lesebühnen sieht, für den hat Wiesler einen Tipp: „Deutscher Meister werden“, verrät er grinsend, als sei es das einfachste auf der Welt. Wer vor knapp 15 000 Zuschauern die jährliche Poetry-Slam-Meisterschaft gewinne, habe es in der Regel geschafft und werde auch gebucht. André Wiesler engagiert sich lieber vor Ort. Wie etwa jüngst bei der Wuppertaler Literatur-Biennale. Vielleicht kommt sie also doch noch: die große Chance für seine kleine Kunst.

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