Alte und neue Kunstschätze: Eine Hommage an Schlemmer und Drühl

Vor 125 Jahren wurde Oskar Schlemmer geboren. Gerhard Finckh, Leiter des Von der Heydt-Museums, schätzt ihn genauso wie Sven Drühl und dessen moderne Kunst.

Wuppertal. Was haben Oskar Schlemmer (1888-1943) und Sven Drühl, Jahrgang 1968, gemeinsam? Beide sind im Von der Heydt—Museum vertreten — der eine mit Werken, der andere mit einer Einzelausstellung, die in der Barmer Dependance präsentiert wird. Museumsleiter Gerhard Finckh eröffnet die Ausstellung morgen um 11.30 Uhr in der Kunsthalle Barmen. Drühls großformatige Arbeiten sind bis zum 26. Januar 2014 am Geschwister-Scholl-Platz zu sehen. Wuppertaler Schlemmer-Werke werden hingegen als Leihgaben nach Stuttgart reisen, wie Finckh im WZ-Interview verrät.

Herr Finckh, vor 125 Jahren wurde Oskar Schlemmer geboren. Welche Bedeutung hat er für die Kunstwelt — speziell für die Wuppertaler?

Gerhard Finckh: Oskar Schlemmer ist einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Er war nicht nur Lehrer am Bauhaus, wo er viele junge Künstler beeindruckte und in ihrem künstlerischen Schaffen beeinflusste, sondern er war auch deshalb so bedeutend, weil er versuchte, das Bild des Menschen, das im Ersten Weltkrieg auf so grausame Weise geschändet und verstümmelt worden war, in seinen eigenen Werken wieder zu einem integeren, intakten Menschenbild zusammenzufügen.

Wie kam es überhaupt dazu, dass er in Wuppertal Zuflucht fand?

Finckh: Schlemmer arbeitete vor dem Zweiten Weltkrieg im Bauhaus in Weimar und auch in Stuttgart. Von dort hatte ihn der Wuppertaler Farben- und Lackfabrikant Kurt Herberts geholt, um in seinem Werk besondere, als „kriegswichtig“ eingestufte Versuche mit Lacken zu unternehmen. Auf diese Weise erlebte Schlemmer — wie auch seine Stuttgarter Freunde Willi Baumeister und Franz Krause — die ersten Jahre des Kriegs in Wuppertal.

Was schätzen Sie persönlich an seinem künstlerischen Werk?

Finckh: Wenn man sich mal Zeichnungen von Schlemmer angesehen hat — und das Von der Heydt-Museum besitzt davon eine große Zahl — , dann ist man ganz fasziniert von Schlemmers „Strich“. Er verstand es auf meisterhafte Weise, mit wenigen, eleganten Strichen Porträts, Köpfe, Figuren aufs Blatt zu zaubern, die er später in seinen größeren Gemälden zu klaren, farblich fein abgestimmten Figurengruppen baute.

Wie lassen sich die Werke charakterisieren, die in seiner Wuppertaler Zeit entstanden sind? Heben Sie sich von Arbeiten aus anderen Schaffensperioden deutlich ab?

Finckh: In Wuppertal entstand vor allem in Zusammenarbeit mit Baumeister das „Lackkabinett“, das heißt ein Raum, in dem verschiedene Lacksorten und -arten auf unterschiedliche Weise erprobt und zu einem Gesamtkunstwerk zusammengefügt wurden. Davon haben sich hier auch Zeichnungen und Vorarbeiten erhalten, die höchst interessant sind.

Wenn sich Museumsbesucher heute ein eigenes Bild von Schlemmers Stil machen möchten — welche Werke können sie dann im Von der Heydt-Museum besichtigen?

Finckh: Das Museum besitzt einen großen „Schlemmer-Schatz“, den wir zur gegebenen Zeit auch einmal umfangreich präsentieren wollen. Zurzeit sind die Werke Schlemmers nicht zu sehen, weil wir gerade im ersten Stock die „Alten Meister“ zeigen und im zweiten Stock die Ausstellung „Von Cranach bis Géricault — Die Sammlung Jean Gigoux“ vorbereiten. Demnächst wird es aber eine große Schlemmer-Ausstellung in Stuttgart geben, zu der wir auch Leihgaben beitragen.

Von der Vergangenheit zur Gegenwart: Am Sonntag eröffnen Sie eine Ausstellung mit Arbeiten von Sven Drühl. Was zeichnet sein Werk aus — weshalb hat er eine Einzelausstellung „verdient“?

Finckh: Sven Drühl ist ein Künstler, der das Werk verschiedener Künstler kritisch untersucht, analysiert, auf bestimmte Formen reduziert und in seine eigenen Bilder „recycled“. Er tut das in einer so frappierend perfekten Weise, dass darüber die „Vorbilder“ fast in Vergessenheit geraten und stattdessen eine neue Sicht der Welt entsteht. Dieser künstlerische Ansatz ist so interessant und spannend, dass wir uns auf diese sensationelle Ausstellung freuen.

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