Agenten in Elberfeld: Momo als Theaterstück
Wuppertal. Lars Emrich setzt im Kinder- und Jugendtheater das Stück „Momo“ in Szene. Vor der Premiere am 10. März traf die WZ den Regisseur zum Interview.
Herr Emrich, „Momo“ ist nicht zuletzt eine Zeit-Frage. Die Grauen Agenten überzeugen die Menschen, keine Zeit mit unnützen Dingen zu verschwenden, sondern sie bei der Zeit-Spar-Kasse zu sparen. In diesem Sinne: Vergeht die Zeit bei den Proben gerade im Flug?
Lars Emrich: Die Probenzeit verfliegt ja eigentlich immer im Flug: Gerade wenn es auf eine Premiere zugeht, steigt der Druck bei allen Beteiligten. Und die Hektik, die dabei häufig zu beobachten ist, entsteht ja häufig aus Zeitmangel. Dabei gibt es doch diesen wunderbaren Satz: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam.“ So ist Probenzeit im besten Sinne etwas, das Michael Ende im Sinn gehabt haben könnte, als er „Momo“ schrieb: Sich etwas mit Muße, Kreativität und Ausdauer hingeben, anderen zuhören und gemeinsam etwas schaffen, das man alleine nicht in der Lage gewesen wäre zu vollbringen.
„Momo“ ist für das Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater eine aufwändige Produktion.
Emrich: Ja. 16 Schauspieler, die zum Teil Doppelrollen spielen, müssen eingekleidet werden. Dazu kommen Spezialitäten wie die Frage, wie man eine Schildkröte auf die Bühne bringt. Unser Ausstatter Laurentiu Tuturuga stand weiterhin vor der Aufgabe, nicht nur ein zerfallenes Amphitheater als Bühnenraum zu entwickeln — sondern dazu noch Meister Horas Haus und die Zentrale der Zeitsparkasse. Andreas Grimm grübelt gerade in Köln über der Musik, die — wie das Bühnenbild auch — eben das Eindringen der Grauen Agenten in eine anfangs sehr schöne Welt zeigen soll. Da gilt es am Ende der Probenzeit, all die Einzelfäden zu einem stimmigen Teppich zusammen zu knüpfen.
Sie sagen, dass das Thema des Stückes kaum aktueller sein könnte. Weshalb?
Emrich: Naja, schauen Sie sich unser Lebensgefühl an. Für viele wird das Leben immer schneller, Zeit ist ein rares Gut. Begriffe wie Beschleunigung, permanenter Stress und Burnout prägen die Diskussion. Und das, obwohl uns so viel Zeit wie keiner Generation bislang zur Verfügung steht. Das macht ja auch vor den Kindern nicht Halt. Die Tage, der Wochenablauf, alles ist durchorganisiert. Die Kids müssen teilweise heute bereits über ein ausgeklügeltes Terminmanagement verfügen. Dazu kommt, dass man sich allerorten ablenken kann. Heute braucht man keine Angst mehr vor Langeweile zu haben. Die nächste, häufig elektronische Zerstreuung ist nicht weit. Bei mir sind aus Langeweile oft die spannendsten Sachen entstanden. Dinge, die nicht vorhersehbar waren. Eigentlich ist Langeweile oder — positiv ausgedrückt — Muße eine kreative Angelegenheit. Sie bringt einen häufig dazu, produktiv zu werden.
Wie treffend ist die Botschaft von „Momo“ denn heute noch?
Emrich: Michael Ende hat „Momo“ 1973 als Prophezeiung, auch als Warnung geschrieben. Ich glaube, heute müssen wir zugeben, dass fast alles so gekommen ist. Die Grauen Agenten, das sind wir in unserer Ungeduld, immer noch mehr in die 24 Stunden eines Tages zu packen. „Momo“ zeigt uns, dass Geduld eine Tugend ist — und dass vielleicht das schönste Geschenk die Zeit ist, die wir füreinander erübrigen. Was nur schwer möglich ist, wenn die eigene Zeit bis ins Kleinste verplant ist.