Abschlusstalk zur Festivalwoche „Pina Bausch Zentrum  under constuction“ Der Bau dieses Hauses soll die Menschen zusammenbringen

Abschlusstalk zur Festivalwoche „Pina Bausch Zentrum under constuction“.

 Neun Tage lang wurde im alten Schauspielhaus an der inhaltichen Ausgestaltung des Pina Bausch Zentrums gearbeitet.

Neun Tage lang wurde im alten Schauspielhaus an der inhaltichen Ausgestaltung des Pina Bausch Zentrums gearbeitet.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die Reise habe schon längst begonnen, sagte Marc Wagenbach am Ende einer halbstündigen Diskussion, die einerseits ein Festival resümieren, andererseits Aufbruch markieren sollte. „Pina Bausch Zentrum under  construction“ führte mehr als 200 Akteure in 47 digitalen Aktionen zusammen. Zeigte sechs Filme, vier künstlerische  Interventionen, elf Workshops, acht Warm-ups, acht Talkrunden, Panels, Diskussionen, Podcasts, ein Back-Event, ein Engels-Special und DJ-Sets. An neun Tagen lebte das alte  Schauspielhaus an der Kluse auf, war voller Programm, das zwar nicht im Gebäude, aber an seiner Fassade und an den Computermonitoren der Welt erlebt werden konnte. Zum Abschlussgespräch trafen sich am Sonntag  der Wuppertaler Bundestagsabgordnete und Kulturpolitiker, Helge Lindh (SPD), und die Performancekünstler Kattrin Deufert und Thomas Plischke mit dem inhaltlichen Leiter des Festivals, Marc Wagenbach.

2027 soll das Pina Bausch Zentrum fertiggestellt  sein, 2021 endlich mit der bauplanerischen Umsetzung begonnen werden. Zeit genug, um  derweil um dessen Ausgestaltung zu ringen. „Wir bauen gemeinsam ein Haus“ war der herausfordernde Titel des Festivals, das den Auftakt dazu leisten sollte. Lindh schwärmte für die großartige Doppeldeutigkeit des Titels als Ausdruck des örtlichen Hausbaus und der überörtlichen zutiefst gesellschaftlichen Aufgabe, habe Deutschland doch  beim gemeinsamen Handeln Nachholbedarf. Mit vereinten Kräften müsse etwas Konkretes, kein Traumschloss geschaffen werden, meinte auch Kattrin Deufert.

Zum Konzept des Hauses, des Pina Bausch Zentrums, hatte Wagenbach im Vorfeld auch die Wuppertaler befragt.  Über 350 Antworten hatte er halten. Immer wieder sei darin kulturelle Diversität oder ein  Raum für Experimente genannt worden.  „Deufert & Plischke“ sind hier Experten. Die Schwelmer Künstler beschäftigen sich ausgehend von Tanz und Theater mit der individuellen Teilhabe und dem sozialen Alltag im künstlerischen Geschehen.

In der Festivalwoche bespielten sie die Fassade des Schauspielhauses mit Videoprojektionen, die gefilmte Lieblingsbewegungen von Wuppertalern zeigten. Das Draußen dringe so nach drinnen und das Drinnen nach draußen, so Deufert. Sinnbild auch dafür, dass alle, nicht nur Künstler, beim Hausbau   mitmachen sollen. Das zu schaffende Haus müsse gerade die Menschen einbeziehen, die von der Hochkultur nicht erreicht werden.

Seine inhaltliche Gestalt dürfe nicht vorgegeben, sondern müsse gemeinsam mit ihnen in einem offenen Prozess, „ohne Perfektion mit Fehlern  geformt werden“. Dafür müsse man sich Zeit nehmen, um Räume mit den Menschen anders zu teilen, so Thomas Plischke. Es dürfe nicht nur geredet,  es müsse agiert werden: „Wir müssen  Räume aufmachen, in denen sich die Menschen sicher fühlen und neue Formen entwickeln können, so dass das, was jetzt nicht vorstellbar ist, das Vorstellbare wird. Wir brauchen  Zeit für neue Auseinandersetzungen.“

Kunst lebt davon, dass man
sie erstmal nicht versteht

Basis dafür ist der  Dialog, der, so Lindh, mit der Bereitschaft geführt werde, Grenzen zu überschreiten und eigene Positionen erschüttern zu lassen“.  Dass das nicht ohne Konflikte gehen könne, war einhellige Meinung des Quartetts. Diese auszuhalten  hätten die Menschen verlernt,  die Kunst aber, so Lindh, lebe   davon, dass man sie erstmal nicht verstehe. Eine Erfahrung, die auch Pina Bausch mit ihrer Arbeit machte, die zunächst viel Unverständnis erntete,  auch heute  längst  nicht jeden erreicht.  Plischke erinnerte daran, dass Bauschs Tanztheater eigene  Gedanken herausfordere, zum Staunen und Grübeln einlade. Dabei durchaus Versöhnliches transportiere, Schwäche und Verletzlichkeit in Stärke verwandle.

Pina Bausch selbst suchte den Dialog mit ihren Tänzern und  mit den Menschen, inszenierte ihr Stück „Kontakthof“ mit  Amateuren im Rentenalter und später mit Jugendlichen. Das Ringen um den „richtigen“ Umgang mit ihren Stücken, ihrem Erbe, ist Kernanliegen  des künftigen Zentrums. Eine schwierige Aufgabe, die ein sensibles Herangehen erfordert. Der Umgang mit ihrem Werk müsse wie eine freie und hemmungslose  Umarmung sein, so Lindh.

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