Gedenken Künstler erinnern an die Novemberpogrome

Wuppertal · Gedenkveranstaltung mit Worten, Musik und Tanz: Neun Künstler arbeiten das Thema auf unterschiedliche Art auf — „damit Schneebälle nicht wieder zu Lawinen werden“.

 In der Citykirche erinnerten Künstler gemeinsam an die Novemberpogrome von 1938.

In der Citykirche erinnerten Künstler gemeinsam an die Novemberpogrome von 1938.

Foto: Fries, Stefan (fri)

In großen Buchstaben flimmern die eindringlichen Worte von Erich Kästner aus seiner Schrift „Über das Verbrennen von Büchern“ in einer Lichtinstallation auf den Wänden der City Kirche. Vom zu spätem Stoppen der Schneebälle, die zu Lawinen wurden und alles mit sich rissen, schrieb der Autor, der die Verbrennung seiner Bücher 1933 erlebte, mahnend 20 Jahre später.

Die Auseinandersetzung der Künstler mit der Reichspogromnacht ist zu Ende und es herrscht Stille im Saal. Zu sehr wirken noch Worte, tänzerische Darbietungen und Musik nach.

Die Erinnerung an den 9. November 1938 begann wortlos. Anke Schmidt, die den Abend konzipiert hat, symbolträchtig gekleidet in einem schweren Ledermantel, steht schweigend vor gebogenen Eisenrohren, hinter sich graue Lichtinstallationen. „Die sieht ja aus wie von der Gestapo“, wird im Raum geflüstert. Ja, so sieht sie aus, und das sicherlich bewusst. Texte werden gelesen von Verfolgung und Verhaftung.

Nicht nur die Ereignisse von 1933 bis zum November 1938 sind thematisiert. Jörg Reimers, Friederike Tiefenbacher und Antje Birnbaum nehmen auf dem Boden verteilte Zettel auf und zeichnend lesend einen Weg von immer wiederkehrenden gewaltsamen Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung bis zu aktuellen heutigen Ereignissen, wie den Anschlag auf die Synagoge in Halle im vergangenen Monat.

Dem wachsenden Antisemitismus und Rechtsradikalismus geschuldet, wollen die neun Künstler der Opfer gedenken und gestalteten gemeinsam einen Abend mit unterschiedlichen künstlerischen Aspekten. Als wiederkehrendes Echo die Worte „Was machen wir, wenn sie wiederkommen?“ ein Aufruf zur Wachsamkeit und Vorsicht. Dazu scheint in Wolfgang Schmidtkes Saxophonarrangement „Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“ zu erklingen.

Familiengeschichten
und Gerichtsprotokolle

Gerade die Kombination zweier unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksformen machte den Reiz aus. Die Choreographen Iker Arrue und Pascal Merighi stellten in pantomimischer Zeitlupe einen brutalen Faustkampf nach, als ironisches Pendant begleitet Ulrike Nahmmacher auf der Geige mit „Dein ist mein ganzes Herz“. Im Wechsel gelesen die Fluchtgeschichte der Familie Frankenstein, eine der wenigen mit glücklichem Ausgang, denn alle haben überlebt. Absolute Ruhe auch bei der Lesung aus „Die Ermittlung“ von Peter Weiss.

„Gesang von der Rampe“ und „Gesang von den Feueröfen“ lässt Zeitzeugen zu Wort kommen, ebenso das Protokoll einer Gerichtsverhandlung, die sich mit dem Transport in die Konzentrationslager auseinandersetzte. Gewidmet den Opfern der Vernichtungslager besingt Sarah Güngör den Schluss — und dazu beitragen, dass aus Schneebällen nicht vernichtende Lawinen werden, können Künstler und Zuschauer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort