Kooperation unter der Motorhaube

Berufsschüler nehmen Austauschschüler aus Frankreich mit in die Betriebe.

Kooperation unter der Motorhaube
Foto: Andreas Fischer

„In Deutschland gibt es mehr Spezialwerkzeuge“, so viel hat Alexandre Durret (17) schon festgestellt. Zum Beispiel bei der Montage oder Demontage von Reifen. Aber insgesamt gleiche die Arbeit bei der Firma Dziewas in Cronenberg dem, was er zu Hause in Frankreich lernt. „Das ist der gleiche Beruf.“ Alexandre Durret ist einer von sechs angehenden Automechanikern, die derzeit in Wuppertaler Werkstätten schnuppern. Organisiert hat den Austausch das Berufskolleg Werther Brücke.

Kfz-Lehrer Johannes Ulke hat den Kontakt angestoßen. Er entdeckte, dass das Deutsch-Französische Sekretariat solche Programme für junge Menschen in der beruflichen Ausbildung unterstützt. Am Berufskolleg gebe es diverse Austauschprogramme, sagt er, aber dieses sei das erste für Azubis.

Es startete im vergangenen September, als acht Schüler des Berufskollegs für drei Wochen nach Miramas nördlich von Marseille fuhren. Dort besuchten sie mit Schülern des Lycée Professionnel les Alpilles Kfz-Betriebe der Stadt.

Grundsätzlich anders ist bei den Franzosen, dass die späteren Automechaniker eine Schule besuchen, sie legen gleichzeitig mit der Ausbildung das Abitur ab. Nur für Praktika gehen sie in Betriebe. Dabei durften die deutschen Azubis sie begleiten. Und hinterließen dort einen guten Eindruck — „die wären dort als Franzosen sofort übernommen worden“, sagt Johannes Ulke.

Es gab zwar einen Schnellkurs für die wichtigsten französischen Begriffe, aber vor Ort klappte die Verständigung vor allem auf Englisch, mit Händen und Füßen — und bei der praktischen Arbeit. Man wisse schließlich, „dass man Bremsbeläge nicht aufs Dach schraubt“, hatte damals Berufsschüler Tobias Kunzelmann ganz plastisch erklärt.

So funktioniert es jetzt auch in Wuppertal. Tobias Kunzelmann (20) ist es, der Alexandre Durret in seinem Ausbildungsbetrieb an die Hand nimmt. „Ich kriege meine Aufträge und dann zeige ich ihm, was wir machen müssen“, erklärt der angehende Kfz-Mechatroniker. Zuletzt haben sie eine verstopfte Einspritzdüse für die Abgasnachbehandlung gereinigt.

Tobias Kunzelmann war direkt interessiert an dem Austausch, als Johannes Ulke ihn im Unterricht vorstellte: „Dabei kann man viele Erfahrungen sammeln“, war ihm schon im Vorfeld klar. Und das habe sich bestätigt. Im Rückblick nennt er nicht nur berufliche, sondern auch menschliche Erfahrungen als Gewinn.

Das ist auch Johannes Ulke wichtig: „Dass ist die Erfahrung von Europa, dass man sich verständigen kann, dass man Beziehungen aufbauen kann, auch wenn man die Sprache nicht spricht.“ Es freut ihn, dass sich die Berufsschüler auch in der Freizeit um die Gäste aus Frankreich kümmern, mit ihnen Fußball spielen.

Interessant findet er auch die Erfahrungen mit dem Thema Arbeit. Den jungen Deutschen war aufgefallen, dass es in den französischen Werkstätten etwas ruhiger zugeht als zu Hause — die Arbeitszeit ist kürzer, die Mittagspause dauert zwei Stunden. Dem entspricht der Eindruck, den Alexandre Durret in Deutschland gewonnen hat: „Hier muss man sich mehr beeilen.“ Ulke berichtet, dass sie darüber auch diskutiert haben: „Ich glaube, das ist für die Jugendlichen ein riesengroßer Schritt, wenn sie darüber reflektieren, wie sie arbeiten möchten.“

Er freut sich auch über die Bereitschaft der Betriebe, zunächst eine Weile auf ihre Azubis zu verzichten, dann die Gäste aus Frankreich aufzunehmen. Er höre viel Positives: „Das klappt erstaunlich gut.“ Auch die deutschen Betriebe würden die französischen Gäste durchaus anstellen. Stephanie Dziewas, Assistentin der Geschäftsleitung bei der Nutzfahrzeug-Werkstatt Gerd Dziewas GmbH, betont: „Wir finden das eine sehr gute Sache.“ Sie hätten ihrem Auszubildenden diese Erfahrung bieten wollen. Der kümmere sich jetzt auch um den Besucher.

Dieser bekommt wie seine französischen Kollegen selbst auch Besuch: In den letzten Tagen vor der Abfahrt an Karfreitag begutachtet ihr Lehrer ihre Arbeit in den Wuppertaler Werkstätten. Denn die Zeit in Wuppertal zählt zu den vorgeschriebenen Praktika, deren Bewertung auch in ihre Abschlussnote einfließt.

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