Begrabt mein Herz in Wuppertal Die bewundernswerte Offenheit unseres Oberbürgermeisters

Wuppertal · Unser Kolumnist Uwe Becker folgt Oberbürgermeister Andreas Mucke. Er nimmt sich an ihm ein Beispiel und veröffentlicht jetzt ebenfalls seine Termine.

 Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Als ich gelesen habe, dass unser Oberbürgermeister Andreas Mucke auf Twitter angekündigt hat, einen Teil seiner Wochentermine öffentlich zu machen, habe ich spontan in die Hände geklatscht und ganz laut „Das ist ja mega!“ gerufen. Da ich gerade in einem Café in der Barmer Innenstadt saß, schauten mich einige Gäste etwas irritiert an, aber ich erklärte ihnen, warum ich so emotional reagiert hatte. Die Reaktion der Gäste war durch die Bank positiv. Natürlich gab es auch kritische Stimmen. Ein Gast war der Ansicht, Andreas Mucke würde nur fürs Grinsen bezahlt. Sicherlich wird ein Oberbürgermeister auch für seine gute Laune entlohnt. Ich glaube, gut 35 Prozent des OB-Gehalts bekommt der erste Bürger der Stadt, damit er innerhalb der Verwaltung und bei den Menschen vor Ort eine positive, entspannte und humorige Stimmung verbreitet.

Die Zusage Muckes, einige seiner Termine der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, halte ich für einen bewundernswerten und mutigen Schritt in die richtige Richtung. Ohne seine Entscheidung hätte man beispielsweise nie erfahren, dass der Arbeitstag unseres Oberbürgermeisters gewöhnlich gegen 8 Uhr mit verwaltungsinternen Gesprächen beginnt. Ich hatte wirklich gedacht, der OB kommt erst gegen 9 Uhr ins Büro, bestellt bei seiner Sekretärin einen Latte Macchiato und geht dann mit der Bild-Zeitung auf die Toilette. Aber so kann man sich irren, nicht wahr? Am Samstag, 12. Januar, hielt Mucke ein Grußwort auf dem Bergischen Primanertag im Schulzentrum Süd. Und für Freitag, 18. Januar, ist ein Besuch bei der Prunksitzung „Die närrische Stadthalle“ geplant. Ohne Andreas Muckes radikale Offenlegung seiner teilweise hochbrisanten Treffen und Termine, hätten und würden wir nie erfahren, wo er sich so den ganzen lieben langen Tag und am frühen Abend herumtreibt.

Wenn ich zur nächsten OB-Wahl nicht selber antreten sollte, bekommt Mucke auf alle Fälle meine Stimme. So viel Bürgernähe und gnadenlose Offenheit muss auch mal gelobt und mit einer zweiten Amtszeit belohnt werden.

Ich bin auch der Meinung, dass schwerwiegende Entscheidungen, oder die Aufklärung von schlimmen Vorgängen rund um den Ausfall der Schwebebahn, den Umbau des Döppersberg oder die kuriose, fristlose Kündigung der Intendantin des Tanztheaters, Adolphe Binder, dem Bürger auch mal vorenthalten werden können und schlicht und ergreifend geheim bleiben. Die Wahrheit kann ja oft auch verstörend sein. Das Wissen darüber, dass der OB sich z.B. ein Rollhockey-Spiel in der Alfred-Henkels-Halle anschaut, muss an Transparenz über sein Tun und Handeln auch mal reichen.

Ich fühle mich aber trotzdem durch unseren offenen, lebenslustigen und fröhlichen Oberbürgermeister ermuntert und möchte auch einen Teil meiner schicken Termine einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. In meiner Position als Kolumnist einer Tageszeitung, deren Verbreitungsgebiet im Herzen Nordrhein-Westfalens und darüber hinaus bis zur niederländischen Grenze liegt, sehe ich es als meine Pflicht an, dem Beispiel unseres Oberbürgermeisters zu folgen: Wenn ich es am Vortag nicht geschafft habe, in einem Supermarkt einzukaufen, oder ich zu wenig Geld dabei hatte, als ich mit dem Taxi beim Bio-Bauern in Mettmann Fleisch, Käse, Milch, Brot und Eier kaufen wollte, dann gehe ich morgens gewöhnlich gegen 8 Uhr an die Ecke zu meinem Metzger, kaufe zwei Mettbrötchen mit Zwiebeln und führe dort oft schon die ersten stadtteilinternen Gespräche mit Mitgliedern des Unterbarmer Bürgervereins.

Nach dem Frühstück schalte ich zunächst Facebook ein, und prüfe wer mein neues Profilbild bei Facebook mit einem „Daumen hoch“ oder roten Herzchen markiert hat. Wenn ich mich körperlich fit fühle, jogge ich auch mal in Turnhose zum Briefkasten und zurück. Als freier Journalist habe ich natürlich nicht so viele interessante Termine wie unser Oberbürgermeister, aber der braucht ja auch keine Zeit für Einkäufe zu verschwenden. Und eine Nummer beim Einwohnermeldeamt muss er bestimmt auch nicht ziehen, bevor man ihm seinen Pass verlängert. Wahrscheinlich isst Andreas Mucke auch am Mittag lecker in der Rathauskantine und am Abend beim Italiener um zwei Ecken. Oder eine Haushaltshilfe kocht seine Nudeln al dente. Ich weiß ja nicht genau, wieviel so ein Oberbürgermeister verdient, und ich möchte hier auch nicht eine dieser typisch deutschen Neiddebatten vom Zaun brechen, aber wenn ich sehe, wie fröhlich und zufrieden unser OB auf jedem Foto grinst, dann denke ich, es müssen bestimmt hunderttausend Euro oder mehr im Monat sein.

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