Klavierzyklus bringt Olga Scheps zurück ins Tal

Die ehemalige Wuppertaler Schülerin brauchte etwas, um sich freizuspielen. Dann aber begeisterte sie mit virtuosem Spiel.

Klavierzyklus bringt Olga Scheps zurück ins Tal
Foto: Stefan Fries

Wuppertals Klassikszene hat es wohl nicht vergessen, dass Olga Scheps hier zur Schule ging und ihr Abitur machte. Längst ist die in Moskau geborene Russin eine anerkannte Pianistin. Nun kam sie von ihrer neuen Wahlheimatstadt Köln einmal wieder zurück, um für diese Spielzeit das letzte Konzert des Klavierzyklus’ der Kulturabteilung der Bayer-Werke zu gestalten. Es wunderte also nicht, dass der Mendelssohn Saal der Stadthalle bis auf ganz wenige Plätze ausverkauft war.

Los ging es mit zwei Werken Frédéric Chopins: die Fantasie in f-Moll, op. 49 und das zweite Nocturne in Des-Dur aus Opus 27. Kennzeichen der monumentalen Fantasie ist ihr dramatisch-rhapsodischer Charakter. Ein hart punktierter Trauermarsch, ein federnder Marsch, ein feierlicher Gesang, Unrast und Frieden sind unter anderem ihre Inhalte. Weich-einschmeichelnd kommt die Kantilene des Nocturnes daher, Nachtzauber geht von ihr aus, strahlend sind die Harmoniefolgen.

Scheps konnte davon jedoch kaum etwas vermitteln. Abgesehen von einigen störenden Verspielern war hier ihr Spiel von einer harten, fast brutal anmutenden Anschlagskultur geprägt. Fließende dynamische Übergänge waren zu unsensibel gestaltet. Auch konnte von „singenden“ Kantilenen wenig die Rede sein.

Wesentlich ruhiger, auf schöne Klänge konzentriert, gab sie sich dagegen bei den „Trois Gymnopédies“ und der dritten Sarabande in b-Moll von Erik Satie. Die Langsamkeit dieser Stücke kostete sie voll aus, obwohl eine leichte Distanz zu ihnen in ihrem Spiel unüberhörbar war. Franz Schuberts berühmte „Wandererfantasie“ nahm sie anfangs wie zuvor bei Chopin ziemlich undifferenziert. Die Hauptstimme verschwand manchmal in den grob gespielten Akkorden. Der konzertant-orchestrale Klaviersatz wurde gerade im ersten Satz zu extrem ausgedeutet und wirkte zudem gehemmt.

Im Adagio brillierte sie dagegen mit federleichten Läufen und lockeren Tonrepetitionen (Tremoli). Und ab dem Presto schien sie sich schließlich endgültig freigespielt zu haben. Spielerisch leichte Virtuosität paarte sich auf einmal mit differenzierter Stimmenherausarbeitung. Diese Tugenden setzten sich bei der siebten Klaviersonate, auch „Stalingrad“ genannt, von Sergei Prokofjew fort. „Die Sonate ver-setzt uns zugleich in eine Welt, die ihr Gleichgewicht verloren hat“, sagte einmal die Pianistenlegende Swjatoslaw Richter treffend über diese „Kriegssonate“. Das Schwanken zwischen Stillstand und endlos wirkender Bewegung, die schwebende Klänge und den Tumult der aufrüttelnden finalen Toccata brachte sie tief ausgelotet, hochdramatisch und mit großen Spannungsbögen packend zum Ausdruck.

Erst hier, ganz zum Schluss des offiziellen Teils, gab es nun frenetische Beifallsbekundungen. Jetzt wollte man die Ex-Wuppertalerin nicht so ohne Weiteres von der Bühne lassen. Virtuosen-, Bravourstücke waren nun als Zugabe dran. „Olga Gigue“ heißt die eine Nummer. Der ebenfalls in Köln lebende kanadische Musiker Chilly Gonzales schrieb sie im Jahr 2015 eigens für sie. Wolfgang Amadeus Mozarts „Alla Turca“ war die zweite Zugabe. Dabei handelt es sich um den dritten Satz aus seiner elften Klaviersonate in A-Dur (KV 331). Sie spielte die hochgradig schwere Version des weltberühmten Pianisten Arcadi Volodos.

Bei diesen beiden Stücken wirbelten ihre Finger effektvoll, wieselflink, hochvirtuos über die gesamte Klaviatur. Gewaltige Tonkaskaden, atemberaubende Läufe und gebrochene Akkorde (Arpeggien) kamen aus dem Konzertflügel. Nun kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr. Keinen hielt es mehr auf seinem Sitzplatz. Mit jubelnden, lang anhaltenden stehenden Ovationen verabschiedete man sich von Olga Scheps.

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