Religion in Wuppertal Kirche: „Wir sind dann am attraktivsten, wenn wir echt sind“

Die christlichen Kirchen gehen mit neuen Formen auf die Menschen zu und setzen zugleich auf die alte Botschaft von der Liebe Gottes.

 Kirchen suchen neue Wege, die Menschen für den Glauben zu begeistern.

Kirchen suchen neue Wege, die Menschen für den Glauben zu begeistern.

Foto: dpa/Arno Burgi

Die Kirchen verlieren Mitglieder. Wie können sie wieder attraktiver für die Menschen werden? Die Gemeinden suchen nach neuen Wegen, Menschen anzusprechen – innerhalb und außerhalb der Kirche.

„Mit dem Sonntagsgottesdienst erreichen wir nur 20 Prozent der Katholiken“, stellt Pastoralreferent Werner Kleine nüchtern fest. Deshalb habe er für die Citykirche die Aufgabe, auf die übrigen 80 Prozent zuzugehen. Und auch für die Wuppertaler ansprechbar zu sein, die gar nicht zu einer christlichen Kirche gehören.

Kleine nutzt dazu traditionelle Infostände in der City, die Segnung für Motorradfahrer oder die Tiersegnung und so ungewöhnliche Formate wie die „Platzreden“, bei denen er auf dem Berliner Platz in Barmen aktuelle Themen aufgreift, oder das Format „Ansprechbar“, bei dem er zum Beispiel im Café sitzt und offen für alles ist. Dabei erlebt er einfache Fragen, theologisch anspruchsvolle Probleme und „Lebensbeichten“. Für entscheidend hält Kleine, „dass ich berührbar bin“. Das Gespräch auf der Straße sei unkompliziert, „man bindet sich nicht“.

Grundsätzliche Zweifel hat er an dem Ziel, Menschen „zur Kirche zu bringen“: „Die Kirche ist Werkzeug, nicht Inhalt. Da müssen wir einen Denkwechsel vollziehen.“ Es sei zwar seine Aufgabe, seine Botschaft „mit Schmackes“ zu verkünden. Aber: „Die freie Entscheidung ist das höchste Gut.“

Er wünscht sich auch, die Menschen in den Gottesdiensten besser anzusprechen. Zum Beispiel mit einer aktuellen Predigt, wie man die vielen Spenden für die abgebrannte Pariser Kathedrale Notre Dame beurteilt. Mit solchen Themen erreiche man die Menschen: „Ich glaube, da ist mehr möglich.“

Neue Sitzordnung
für das Gemeinschaftsgefühl

Auf einer ganz anderen Ebene hat Gerd Stratmann, katholischer Pfarrer in Ronsdorf, Veränderung in Gang gesetzt: Seit knapp anderthalb Jahren sitzt die Gemeinde im Gottesdienst nicht mehr auf Kirchenbänken mit Blick nach vorn, sondern auf Stühlen in einer Ellipse, in der sich alle gegenseitig sehen. Der Priester steht nicht erhöht, sondern gehört zur Gemeinde. „Wir sind alle auf einem Boden“, erklärt Stratmann. Gleichzeitig werde jeder einzelne ernst genommen. Die neue Sitzordnung sei nach anfänglicher Skepsis gut angekommen. „Die Menschen fühlen sich stärker als Gemeinschaft.“ Stratmann glaubt, dass Menschen in dieser Form eher eine glaubwürdige Kirche erleben können.

Als besonderen Gottesdienst bietet Ruth Knebel, evangelische Pfarrerin in Ronsdorf, seit Jahren „Schafanzuggottesdienste“ für Familien mit Kitakindern an. „Ganz viele Kinder kommen tatsächlich im Schlafanzug, bringen Kuscheldecken mit“, berichtet sie. Die Kinder machen es sich auf dem Boden gemütlich, die Eltern sitzen drumherum. Es gibt Lieder, Gebete und eine Bildergeschichte – aus der Bibel oder mit einem biblischen Thema – und zum Schluss ruhige Lieder. So manches Kind schlafe auf dem Schoß der Eltern ein.

Botschaft so bekannt machen, dass sie heute verstanden wird

Das Angebot biete den Eltern auch Hilfestellung, kindgerecht auf schwierige Fragen zu antworten, betont Ruth Knebel, Fragen wie, wer die Welt geschaffen hat oder wohin die Toten gehen. Aber es gibt auch schöne Themen wie „Spitze, dass du da bist“, bei dem die Kinder bestärkt werden: „So wie ich bin, ist es richtig.“

An Sechs- bis Siebenjährige richtet sich das Tauferneuerungsfest im Bandwirkerbad – mit einer Geschichte, die im Wasser spielt. Das sei für viele ein Anlass, neuen Kontakt zur Kirche zu suchen, sagt Ruth Knebel. Ihr ist wichtig, dabei auch den Glauben weiterzugeben: „Das ist ein guter Halt fürs Leben.“

Diese neuen Gottesdienstformen gehören für Werner Jacken, Sprecher der evangelischen Kirche in Wuppertal, zum Auftrag, die Botschaft von Gott und Jesus so bekannt zu machen, dass sie heute verstanden wird. Auch neue Technik wie das Internet, Facebook, Instagram, Podcasts oder Twitter zu nutzen.

Superintendentin Ilka Federschmidt betont: „Im Sinne Gottes sind wir dann am attraktivsten, wenn wir echt sind. Mit seiner Botschaft und seinem Auftrag für uns.“ Diese Botschaft, sagt Jacken, habe sich seit 2000 Jahren nicht verändert: „Jesus nimmt dich an so, wie du bist. Seine Liebe verändert dich und die Welt. Und du kannst nicht tiefer fallen als in seine Hände.“ Auch er sagt: „Damit sind wir nach wie vor unglaublich attraktiv.“

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