Kirche in Wuppertal Kirche lebt von Ehrenamtlichen

Stell dir vor, es ist Krieg – und keiner geht hin.“ Mit sogenannten Sponti-Sprüchen haben junge Leute in den 1970er Jahren ihre Hoffnung auf bessere Zeiten auf Hauswände gesprüht.

 Volker König

Volker König

Foto: Volker König

„Stell dir vor, es ist Wahl – und keiner geht hin.“ Das ist kein Sponti-Spruch, keine Vision einer besseren Welt, vielmehr unsere Praxis, die nachdenklich macht. Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl oder die Beteiligung bei der Umfrage zur Seilbahn, an denen wir als Wuppertalerinnen und Wuppertaler im Mai teilnehmen konnten, sind dabei eher Ausrutscher nach oben – hoffnungsvolle freilich. Da setzte sich die Einsicht durch, dass Wahlen und deren Ausgang sehr wohl mit mir zu tun haben. Mit meinem überschaubaren Leben, hier und jetzt. Häufig ist uns das verloren gegangen. „Was kann ich schon ausrichten?“, wird da häufig gefragt. Das machen doch „die da oben“.

Nicht nur in der großen Politik, sondern auch im Nahbereich etwa unserer Kirchengemeinden ist das ein Thema. Anfang 2020 sind Presbyteriumswahlen. Da werden die Leitungsgremien der Kirchengemeinden neu gewählt. Aber leiten denn nicht die Pfarrer die Gemeinde? Pfarrerinnen und Pfarrer sind sehr wichtige Menschen für die Arbeit in den Gemeinden, in ihrer Person wird Kirche erkennbar und ansprechbar. Und sie leiten die Gemeinden mit – aber eben nicht allein. Im Presbyterium (griechisch: der Kreis der Erfahrenen) haben sie eine Stimme wie die Ehrenamtlichen auch.

Kirche lebt von der Überzeugung und vom Engagement von Ehrenamtlichen. Ohne die Bereitschaft, sich selber einzubringen, findet Kirche nicht statt. Dabei ist das spannend. Ich kann mich ganz praktisch beteiligen daran, wie die Arbeit meiner Kirchengemeinde gestaltet wird. Ich kann meine Gaben und Erfahrungen einbringen – ob beim Thema Gemeindefinanzen, Gebäudemanagement oder der Öffentlichkeitsarbeit, bei der Erarbeitung neuer Gottesdienstformen, bei kirchenmusikalischer Schwerpunktsetzung, welche Jugendarbeit die Gemeinde betreibt oder wie sie ihre soziale Verantwortung im Stadtteil wahrnimmt.

Aus dem Glauben heraus Welt gestalten – das gehört zum Selbstverständnis evangelischer Christen. In der Gemeinde am Ort wird diese Weltgestaltung ganz praktisch. Keine Sorge, es geht bei der Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten nicht um eine Glaubens-Tiefe-Prüfung. Gesucht werden Menschen, die etwas von ihrer Zeit und Lebenskraft für das größere Ganze einbringen wollen. Weil sie überzeugt davon sind, dass sie zuerst und zuletzt von dem leben, was sie selber empfangen haben, was ihnen geschenkt wird – von anderen, von Gott – und weil sie das nicht für sich behalten, sondern zurückgeben wollen zum Nutzen aller.

Stell dir vor, es ist Wahl. Und es gibt mutige Kandidatinnen und Kandidaten und zuversichtliche Wählerinnen und Wähler – und dann erwächst aus einer solchen Wahl, aus der Arbeit in einem Presbyterium ein Stück mehr gelingendes gemeinsames Leben, in dem Bereich, auf den ich selber Einfluss habe. Das würde vermutlich auch den (inzwischen) alten Spontis gefallen.

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