Was glauben Sie denn? Die Kopfbedeckung der Frau

Wuppertal · Woher kommt der Brauch der Kopfbedeckung? Über das Für und Wider haben sich die Gelehrten während vieler Jahrhunderte gestritten.

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Foto: Fries, Stefan (fri)

In dem Artikel über die Kopfbedeckung des Mannes habe ich schon erwähnt, dass es in der Hebräischen Bibel keine Vorschriften für eine Kopfbedeckung gibt, außer für die Priesterkleidung, die in der Tempelzeit zu feierlichen Anlässen getragen wurde.

Bevor ich zu der Kopfbedeckung der Frau komme, möchte ich in Erinnerung rufen, dass der Schöpfer des Himmels und der Erde und des Menschen nie eine unterschiedliche Wertung zwischen Mann und Frau vorgenommen hat. Schon als ER den Gedanken fasste: „Lasset uns einen Menschen machen…“ wird der Text, wenn es um die Aufgaben dieses Menschen geht, im Plural weitergeführt. Das bedeutet, Mann und Frau sind dazu bestimmt, auf Augenhöhe miteinander zu handeln. Bei Abraham und Sarah und bei Jizchak und Rebekka hat das auch noch funktioniert.  Warum hat sich das später geändert?  Die israelitischen Stämme wuchsen in eine Gesellschaft hinein, die bereits patriarchalisch geprägt war. So finden sich auch in den Texten der Hebräischen Bibel hin und wieder Einflüsse dieser Entwicklung.

In das altisraelitische Recht übernahm man die Auffassung, dass die Frau „Besitz“ des Mannes sei.  Da man genau wusste, dass dies mit dem biblischen Text nicht vereinbar war, baute man einige Vorschriften zum Schutz der Frau und auch der Kinder ein. Aber die Frau hatte einen Teil ihrer Selbstbestimmung eingebüßt. Ihr Vater und später ihr Ehemann konnte ihre Aktivitäten jederzeit ausbremsen.

Schon zu der Zeit, als der Tempel noch stand, fing es damit an, dass nach dem sehr fröhlichen „Fest des Wassers“, es heißt, wer dieses Fest nicht kennt, weiß nicht, was Freude ist, es einigen Gelehrten wohl zu hoch herging. Auch damals schon erhitzten Wein, Weib und Gesang die Gemüter und das ließ wohl ein paar Menschen über die Stränge schlagen.

Also ließen die Gelehrten Balkone bauen und schickten die Frauen nach oben, damit die Männer nicht vom Gebet abgelenkt würden. Diesem Umstand verdanken wir bis heute die Frauenempore in der Synagoge.

Außerdem erklärten die Talmud-Gelehrten (bT Gittin 90b), dass das offene Haar der Frau eine Form von Nacktheit sei, die die männliche Begierde wecke und somit sündhaft sei. Also mussten die Frauen ihr Haar bedecken, nicht etwa aus Ehrfurcht vor Gott, sondern um die Männer, die sich vielleicht nicht „beherrschen“ konnten, nicht aus dem Konzept zu bringen.

Natürlich spielten nach der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung des Volkes die Sitten in den jeweiligen Gastländern auch immer eine Rolle und sie beeinflussten die Art der Kopftracht.

Der große Gelehrte des Mittelalters, Maimonides, verbot den Frauen, die Haare abzuschneiden, nicht etwa, um ihnen diese Pracht zu erhalten, sondern damit sie sich nicht als Männer ausgeben konnten. Dazu muss man sagen, dass es unter Jüdinnen und später auch unter Christinnen immer sehr selbständige und selbstbewusste Frauen gegeben hat, die ihren Weg gegangen sind und das ging manchmal nur in männlicher Verkleidung.

1557 erklärte Rabbi Joschua Simon Baruch ben Boas, dass eine Perücke das Gebot der Verhüllung erfülle (dazu sei angemerkt, dass schon der Kirchenvater Tertullian von dieser Sitte der Verhüllung begeistert war, aber auch er keine biblische Begründung dafür gefunden hat). In fundamentalistischen Kreisen tragen Frauen auch heute noch Perücke. Da die Perücke sie aber manchmal besser kleidet als das eigene Haar, bedecken sie die Perücke zusätzlich noch mit einem Kopftuch.  In Polen und Russland wurde die Perücke, jiddisch „Scheitl“ genannt, in der Zarenzeit verboten. Dann trug man Kopftuch oder Hut. Zu allen Zeiten waren die Kopfbedeckungen auch der Mode unterworfen. In der Zeit der Aufklärung gingen einige berühmte jüdische Frauen, wie Amalie Beer, Henriette Herz und Rahel Varnhagen ihre eigenen Wege. Sie trugen ihr Haar natürlich offen.

Bis heute gibt es selbstbewusste Frauen, die sich keine Kleiderordnung aufzwingen lassen und solche, die sich lieber unterordnen, aus welchen Gründen auch immer. Zwischen Männern und Frauen, die sich auf Augenhöhe mit Respekt und Empathie begegnen, ist Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit selbstverständlich. Man gewinnt Energie und Harmonie und die Hoffnung, dass diese Erkenntnis an Boden gewinnen möge.

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