Was glauben Sie denn? Ein kleiner Streifzug durch die Musik des alten Israel

Die Corona-Pandemie zeigt, dass die Welt letztlich ein einziger Sack ist, in dem wir alle sitzen – ohne eine Möglichkeit, zu entkommen.

 Wuppertal

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Foto: Fries, Stefan (fri)

In den vergangenen 200 Jahren haben erstaunlich viele Musikwissenschaftler in Zusammenarbeit mit Archäologen, Ikonografen und Ethnologen die Musik des Alten Orient erforscht und viele Bücher darüber geschrieben. Sie alle kamen zu dem Ergebnis, dass man über die Klänge von vor 3000 Jahren nur spekulieren kann, zumal es bis lange nach der Zeitenwende keine Aufzeichnungen gab und die Funde der Archäologen sehr rudimentär ausfallen.

Was nun erzählt uns die Bibel über die Musik? Lange bevor die Israeliten die Bühne der Welt betraten, wird in der 7. Generation des Hauses Kain ein Knabe geboren, der den Namen Juval trug. Der Legende nach wächst er zu dem ersten Spieler von Leier und Flöte heran und gilt fortan als Erfinder der Musik. Was soll uns das sagen, dass ausgerechnet ein Nachfahre des Totschlägers und Städtebauers Kain die Musik erfunden hat? Städte wurden von der damals meist ländlichen und teils noch nomadischen Bevölkerung mit großem Misstrauen betrachtet. Waren sie doch auch die frühesten Stätten von Korruption und Sittenverfall. Ebenso hat die Musik mehrere Seiten. Einmal erhebt sie uns in höchste Sphären, andererseits dient sie trivialem Vergnügen, wird in Kriegen und zu fragwürdigen Siegesfeiern eingesetzt.

Kehren wir zurück zum Jubel, dem schönen alten deutschen Wort, das dem Juval so lautverwandt ist.

Als Mosche und die Israeliten trockenen Fußes das Rote Meer durcheilt hatten, die sie verfolgenden Ägypter aber darin ertranken, stimmte Mosche ein Dank- und Jubellied an, in welches Mirjam mit den Frauen einstimmte. Die Frauen schlugen dazu ihre Handtrommeln, die sie offensichtlich aus der Sklaverei mitgenommen hatten. Daraus kann man schließen, dass es trotz des Elends der Sklaverei doch Musik und gewiss auch Tanz gegeben hat. Dieser Jubel ist wohl bei Gott nicht so gut angekommen, denn ER fragte: „Wie könnt ihr jubeln, während meine Kinder ertrinken?“ Daraus folgt bis heute das Prinzip, dass man, wenn ein Feind am Boden liegt, nicht noch hinterher treten darf. Wer es doch tut, verletzt die jüdische Ethik.

Was hilft uns weiter bei der Spurensuche? Auf jeden Fall ist es die Poesie der Sprache. Selbst in den frühen Texten der hebräischen Bibel gibt es poetische Passagen, die geradezu nach einem musikalischen Vortrag verlangen. Musik und Poesie sind Geschwister und so haben gewiss die Menschen schon damals ihre Gebete, mit denen sie den Kontakt zu Gott suchten, in Kantillationen vorgetragen, um die Gebete von der Alltagssprache abzuheben. Außerdem führt dies zu größerer Aufmerksamkeit der Betergemeinschaft. Über Jahrhunderte wurden diese Weisen mündlich tradiert. Selbst zur Zeit der Könige und nach dem Bau des Tempels wird uns von vielen musikalischen Aktivitäten berichtet, aber es gibt keinerlei Noten oder ähnliche Aufzeichnungen. Allerdings werden uns die Instrumente, Chöre und Tänze geschildert, die schon den Mischkan, den tragbaren Wüstentempel, begleiteten. Als die Bundeslade dann nach Jerusalem gebracht wurde, geriet König David bei Tanz und Musik geradezu in Ekstase, was seiner Frau gar nicht gefiel.

Was gab es für Instrumente? Die zahlreichen Übersetzer, angefangen bei denen der Septuaginta, hatten daran wohl weniger Interesse, denn es gibt für die hebräischen Bezeichnungen der Instrumente fast nur ungenaue Übersetzungen. Zum Beispiel wird „kinor“ mal mit Leier, Harfe oder Geige übersetzt. Der Kinor ist auf einer frühen römischen Münze abgebildet und kommt wohl der Leier am nächsten.

Lediglich für die silbernen Trompeten gibt es eine genaue Bauanweisung in der Bibel (4. Mose, 10,2). Diese wurden zum Sieg über Jericho geblasen, ob sie auch die Mauern zum Einsturz brachten, sei dahin gestellt. Es gab verschiedene Flöten, die schon erwähnten Handtrommeln, Rasseln aus Holz und auch aus Metall in unterschiedlichen Größen, und andere Schlaginstrumente. Ganz wichtig ist der Schofar, das gedrehte Horn eines Widders oder Steinbocks. Er erinnert an die „Bindung“ Isaaks, als Avraham an seiner statt einen Widder opferte. Der durchdringende Ton des Schofars zeigt Beginn und Ende des Schabbats an und kommt auch in den Buß- und den Hohen Feiertagen zum Einsatz. Das Blasen dieses archaischen Horns gehört bis heute zu den Ritualen der Synagoge.

Nach der Zerstörung des ersten Tempels nahmen die Israeliten ihre Instrumente mit nach Babylon.

Sie hängten sie in die Bäume, denn sie waren zu traurig, um sie zu spielen. Doch die Babylonier liebten die Musik der Hebräer und zwangen sie, zu singen und zu musizieren.

Wir können in unserer lärmüberfluteten Welt nicht mehr ermessen, wie die Musik unserer frühen Vorfahren geklungen hat. Aber wir wissen, dass sie nicht nur die Depressionen des Königs Saul gelindert, sondern auch oft unsere Tränen getrocknet hat. Wenn Sie mögen, können wir demnächst den Weg der Juden und ihrer Musik weiter begleiten.

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