Was glauben Sie denn? Ein Plädoyer für den Religionsunterricht

Die Corona-Pandemie zeigt, dass die Welt letztlich ein einziger Sack ist, in dem wir alle sitzen – ohne eine Möglichkeit, zu entkommen.

 Beate Haude

Beate Haude

Foto: Tim Polick

Corona hat uns alle im Frühjahr ganz schön durcheinandergebracht. Ein plötzlich schulfreies Leben mag oberflächlich betrachtet reizvoll sein, aber nach einer gewissen Zeit merkte jeder, dass das Leben ohne Schule nicht richtig funktioniert. In bildungsbürgerlichen Haushalten ist das Homeschooling vielleicht auch mal erfolgreich gewesen sein, in Haushalten ohne Glaube an Bildung aber ganz sicher nicht. Heraus kommt dabei, dass die Schere zwischen vom Leben bevorzugten und benachteiligten Schülerinnen und Schülern weiter auseinandergeht.

Man hört, dass viele Kinder und Jugendliche generell bis 14 Uhr schliefen und sich dann direkt an die Spielekonsole setzten. Das kann man nun aufgeregt kritisieren, aber man kann sich auch eingestehen, dass Corona einfach überall wie ein Vergrößerungsglas für Probleme gewirkt hat, die sowieso schon da waren: So wie wir plötzlich merken, dass Massentierhaltung schlimm ist, fanden wir auch, dass stundenlanges Daddeln vor der Spielkonsole schadet.

In diesem Zusammenhang ist interessant, welche Schulfächer im öffentlichen Bewusstsein für wichtig gehalten wurden und welche nicht. Deutsch, Mathe, Englisch – keine Frage. Aber Reli? Musik? Sport?

Als Schulreferentin kann ich nicht oft genug gebetsmühlenartig predigen, dass der Religionsunterricht eines der wichtigsten Fächer überhaupt ist. Wenn er gut gemacht ist, gibt er Raum für die großen Fragen in unserer Welt und lässt jeden nach seinem Glauben und Empfinden zu Wort kommen, der antworten will.

Ist denn nun Corona eine Strafe Gottes? Und wenn nicht – welchen Sinn hat es, dass unseren 16-Jährigen mal eben ein entscheidender Teil ihres Lebens ausgebremst wird? Sind alle Menschen gleich viel wert? Und wenn ja – wer kriegt den Sauerstoff, wenn er während einer Coronawelle in Krankenhäusern knapp wird? Soll man Vater und Mutter ehren? – Und wenn ja, wie verträgt sich das mit Besuchsverboten in Altenheimen und einsamem Sterben unserer zu schützenden Alten?

Dazu gibt es keine einfachen Antworten. Nichts, was man auswendig lernen und in Tests zu Papier bringen könnte. Wenn wir nicht in Barbarei versinken wollen (und das zu verhindern hat im vergangenen halben Jahr erstaunlich gut funktioniert!), dann brauchen wir lebenslange Bildung. Der Religionsunterricht kam sowohl im Präsenzunterricht als auch im Online-Lernen mancherorts zu kurz. Weil Reli ein „unwichtigeres Fach“ sei. Das ist aber ganz falsch. Mehr und mehr merken wir, dass es entscheidend ist, auf was wir vertrauen, was wir in unserem Leben für unumstößlich halten, an welchen der vielen Götter und Götzen wir uns halten wollen.

Für mich als Schulreferentin der evangelischen Kirche ist das der Gott Abrahams, der immer schon Partei für die Schwachen einnahm und bis heute in den Heiligen Schriften als einer erscheint, der kleine, funktionierende, nachhaltige Gesellschaften will. In denen Menschen einander würdigen und darauf achten, dass Arroganz und Größenwahn nicht zum Ruin des eigenen Lebensumfelds führen. Und der bei allem Unglück, das uns widerfährt, immer von uns angesprochen werden kann. Der am Ende gnädig und freundlich ist. So hat es für uns Christen auch Jesus von Nazareth ausgelegt und bei Licht besehen auch der Prophet Mohammed. Und die Propheten im Judentum sowieso.

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