Karfreitags-Prozession: Ein Deutscher unter vielen Italienern

Seit sieben Jahren spielt Volker Mattern bei der italienischen Prozession mit — ohne ein Wort der Sprache zu verstehen.

Wuppertal. Er steht im Gemeindehaus der Herz-Jesu-Kirche und lauscht dem polnischen Benedictus-Chor. „Eli, eli, lema sabachtani “ — „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“, lautet die deutsche Übersetzung des Liedes. Heute findet eine der letzten Proben statt, bevor der Chor am Karfreitag auf der Hardt singt. „Wenn Jesus am Kreuz stirbt und wir auf die Knie fallen, singt der Chor das ,Eli, Eli’“, erklärt Volker Mattern (48) das Szenenbild.

Er macht schon seit sieben Jahren bei der italienischen Prozession als Darsteller mit — und das ohne ein Wort Italienisch zu verstehen. In diesem Jahr spielt er wieder einen Apostel, der mit Jesus am Gründonnerstag das Abendmahl feiert (die WZ berichtete). Am Karfreitag tauscht er die Rolle. Als Josef von Arimathäa nimmt er den Leichnam Jesu vom Kreuz und legt ihn ins Grab.

Als Apostel singt er die „Pasqua“- Lieder lauthals mit, ohne dass ein Zuschauer merken würde, dass er der Sprache nicht mächtig wäre. „Auswendiglernen und auf den Nebenmann achten“, ist sein Tipp. Anfangs hat Mattern das Internet zur Hilfe genommen, um die Aussprache zu trainieren. „Natürlich war das eine Hürde.“ Proben, Gebete, Messen und die Prozession — alles ist nur auf Italienisch. „Die anderen haben mich direkt an die Hand genommen, und wenn ich nichts verstehe, übersetzen sie es mir.“ Mittlerweile beherrscht er einige Brocken der Fremdsprache und wenn er beim italienischen Vater Unser mal nicht weiter kommt, betet er einfach auf Deutsch.

Volker Mattern ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Glauben und Religion hatten keinen Platz in seinem Leben: „Ich wurde kommunistisch erzogen.“ Eine Welt brach für ihn zusammen, als die Mauer fiel. „Ich suchte nach Orientierung und habe sie im Glauben gefunden.“ Heute vergleicht er sich oft mit dem Apostel Paulus. „Früher waren Christen ein rotes Tuch für mich, heute bin ich selbst einer.“

Als er 1993 nach Wuppertal kam, lernte er Salvatore Cutaia über die Arbeit kennen. „Er wollte ein Plakat der italienischen Prozession aufhängen. Weil er so klein ist, habe ich meine Hilfe angeboten.“ Sein Interesse wurde geweckt. In den Pausen hat er Salvatore immer wieder nach der Bedeutung des Osterfestes gefragt und war fasziniert. Bald darauf wagte er den Schritt und übernahm die Rolle eines Juden: „Ich habe Jesus auf der Straße beschimpft“, sagt er mit einem Lachen in der Stimme. Die Prozession hat ihm geholfen, den Glauben zu fühlen und zu verstehen. „Die bedingungslose Liebe Jesu, was er alles für uns auf sich genommen hat, das erlebt man bei jeder Prozession hautnah mit.“

Vor drei Jahren hat er sich sogar taufen lassen. Seitdem macht er einen Spagat zwischen drei verschiedenen Gemeinden: der deutschen, italienischen und polnischen. „Meine Frau ist Polin.“ Deswegen macht auch in diesem Jahr zum ersten Mal der polnische Chor mit. Leiter Benedikt Frackiewicz war direkt begeistert: „Es ist genial, dass verschiedene Kulturen was gemeinsam machen.“ Genau wie die 23 Sänger ist auch Mattern aufgeregt. Besonders die Szene, wenn Jesus am Kreuz von den Menschen als Sohn Gottes verspottet wird und er sagt „Deine Sünden sind verziehen“, findet Mattern ergreifend. „Die Zeiten haben sich eigentlich seit 2000 Jahren nicht geändert. Während der Prozession wird gelitten, gejubelt und geschimpft.“

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