Kämmerer Slawig im Interview „Da muss noch was kommen“

Wuppertal · Das Konjunkturpaket der Bundesregierung ist für viele „kraftvoll, sozial gerecht und nachhaltig“. Es setze die richtigen Akzente. Nur eine kommunale Altschuldenregelung enthält es nicht.

 Die Kommunen sollen entlastet werden, weil ihnen in der Corona-Krise die Steuereinnahmen wegbrechen. Die Bundesregierung hat vergangene Woche ein Konjunkturpaket mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro beschlossen.

Die Kommunen sollen entlastet werden, weil ihnen in der Corona-Krise die Steuereinnahmen wegbrechen. Die Bundesregierung hat vergangene Woche ein Konjunkturpaket mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro beschlossen.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Das Konjunkturpaket der Bundesregierung hilft akut auch den Städten und Gemeinden im Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie. Der Bund beteiligt sich stärker an Sozialkosten, er gewährt Städten und Gemeinden vorübergehend mehr Freiheiten bei der Vergabe von Aufträgen. Aber die grundsätzlichen Probleme der Kommunen sind mit dem Paket nicht gelöst. Deshalb setzt sich der Stadtkämmerer von Wuppertal, Johannes Slawig, im Gespräch mit dieser Zeitung auch in seiner Eigenschaft als Sprecher des „Aktionsbündnisses für die Würde unserer Städte“ dafür ein, dass die mehr als 2000 hochverschuldeten Kommunen in Deutschland von ihren Altschulden befreit werden.

Herr Slawig, ist das Konjunkturpaket die Renaissance der Kommunen?

Johannes Slawig: Ich hoffe, dass es die Renaissance der Kommunen ist. Ohne die Kommunen hätte es keine Eindämmung der Pandemie gegeben. Insofern wäre es an der Zeit, dass es zu einer Renaissance käme und Bund und Länder erkennen, welche Bedeutung die Städte und Gemeinden haben.

 Johannes Slawig, Stadtkämmerer in Wuppertal 

Johannes Slawig, Stadtkämmerer in Wuppertal 

Foto: Fischer, Andreas (f22)

Gibt das Paket das mit seinen jetzigen Entscheidungen schon her?

Slawig:  Es gibt in einem Punkt einen großen Erfolg, nämlich bei der höheren Beteiligung des Bundes an den Sozialkosten.

Ist das wirklich ein Erfolg, wenn der Bund nur einen Teil der Kosten bezahlt, die er selbst in Gänze verursacht?

Slawig: Es würde sich gehören, dass er alles bezahlt. Aber 75 Prozent sind besser als die bisherigen 50 Prozent. Das ist vor allem für die strukturschwachen Städte wichtig, weil sie höhere Belastungen bei den Sozialkosten haben als andere.

Aber die Kommunen bleiben weiter am Tropf von Bund und Ländern. Da hat sich doch gar nichts geändert.

Slawig: Da muss noch mehr kommen. Sowohl bei der Entlastung von Sozialleistungen. Die wirtschaftliche Jugendhilfe, die in strukturschwächeren Städten häufiger notwendig ist, wird vom Bund beschlossen und von den Städten allein bezahlt. Das gilt auch für die Flüchtlingsfinanzierung, die in NRW zum großen Teil von den Kommunen bezahlt wird. Insofern kann das Konjunkturpaket nur ein Anfang sein, wenn man wirklich zu einer Renaissance der Kommunen kommen will.

Das eigentliche Thema, der Altenschuldenfonds, hat sich erledigt, oder?

Slawig: Für den Bund ist das Thema jetzt erledigt, ich habe auch nicht die Hoffnung, dass es auf Bundesebene wieder auf die Agenda zu bringen ist.

Und jetzt?

Slawig: Jetzt müssen die Länder, und das heißt konkret Nordrhein-Westfalen eine Regelung schaffen. Andere Länder haben das schon, Hessen, Saarland, in kleinerem Rahmen auch Niedersachsen, Rheinland-Pfalz noch nicht und NRW auch noch nicht.

Wie könnte ein Konzept aussehen?

Slawig: Das Problem ist die Größenordnung von fast 24 Milliarden Euro. Es gab mit dem Bund bereits einen Plan, nachdem er die Hälfte davon getragen hätte, die Kommunen und das Land jeweils ein Viertel. Mehr als dieses Viertel können die verschuldeten Städte auf keinen Fall tragen.

Das heißt?

Slawig: Das Land muss drei Viertel übernehmen, was angesichts der niedrigen Zinsen auch zu vertreten wäre.

Der niedrige Zinssatz ist aber kein Argument, er gilt für die Kommunen auch.

Slawig: Natürlich. Im Augenblick zahle ich ein Prozent, also 13 bis 14 Millionen Euro im Jahr für die Kassenkredite. Aber das wird ja für die nächsten 30 bis 40 Jahre so nicht bleiben. Diese Zeit bräuchte ich, um die aktuellen Kassenkredite zu tilgen. Aber niemand kann mir garantieren, dass die Zinsen so niedrig, das Wachstum und die Steuereinnahmen so hoch bleiben wie vor der Pandemie. Das Risiko ist sehr groß, dass die Zinsen wieder steigen.

Geht das Aktionsbündnis jetzt in Gespräche mit dem Land?

Slawig: Das haben wir bereits getan. Wir wollen bis Ende Juni auf eine Reaktion warten. Bisher gibt es keine. Es gibt eine Zusage des Ministerpräsidenten aus dem Dezember 2018. Armin Laschet hat uns schriftlich gegeben, dass er einen Altschuldenfonds machen will, und zwar nicht nur in Form von Zinssicherung, sondern auch für den Abbau von Altschulden. Außerdem steht es im Koalitionsvertrag von CDU und FDP.

Aber am Einnahmeproblem der Kommunen ändert der Abbau von Altschulden nichts.

Slawig: Deshalb gehört zur Altschuldenlösung auch eine auskömmliche Finanzausstattung der Städte durch den Bund, aber auch durch das Land. Es kann nicht sein, dass das Land mit der einen Hand gibt und mit der anderen wieder nimmt. Gerade für Großstädte ist es wichtig, mehr als nur Pflichtaufgaben übernehmen zu können. Zum Wesen einer Großstadt gehört nicht nur das Meldewesen, sondern auch freiwillige Leistungen zu erbringen, Kultur, Sport, Jugend, alles, was eine Stadt lebenswert macht. Das können wir nur, wenn wir eine auskömmliche Finanzausstattung haben.

Dennoch bleibt der Bund ein wichtiger Teilnehmer am Spiel. Denn das Land hat deutlich weniger Einnahmen. Es gibt keine Lösung ohne den Bund, oder?

Slawig: Ja, der Bund ist immer dabei. Aber die Länder wirken im Unterschied zu den Kommunen bei Gesetzgebungsvorhaben mit und wissen ihre Interessen sehr selbstbewusst durchzusetzen. Es ist unser struktureller Nachteil, dass wir Kommunen immer nur am Katzentisch sitzen, wenn wir überhaupt gehört werden. Deshalb ist es Aufgabe der Länder, dass der Bund den Ländern und damit indirekt auch den Kommunen eine auskömmliche Finanzausstattung zukommen lässt. Die Länder sind durchaus in der Lage, sich gegen den Bund durchzusetzen. Das müssen sie aber auch im Interesse der Städte und Gemeinden tun.

Die Städte erheben im Wesentlichen Grundsteuern und Gewerbesteuern. Ist das noch zeitgemäß? Müsste da angesichts der finanziellen Situation vieler Städte nicht etwas anderes her?

Slawig: Die Grundsteuer ist, wenn sie reformiert wird, sehr zeitgemäß, weil sie planbar ist und von jedem gezahlt wird. Das halte ich in der modernisierten Form für sehr zeitgemäß. Die Gewerbesteuer ist sicher keine ideale Einnahmequelle, aber solange es keine bessere gibt, werde ich sie mit Zähnen und Klauen verteidigen. Wir haben als Kommunen schon lange gefordert, die Gewerbesteuer als Wertschöpfungssteuer auch auf die freien Berufe auszuweiten, aber das ist politisch nicht durchsetzbar gewesen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort