Jürgen Scheugenpflug: „Die Pannen sind ja auch mit viel Humor kaum zu erklären“

Interview: Der Kabarettist Jürgen Scheugenpflug über das Muckertal, den unlustigen Oberbürgermeister und den schönen Manni.

Wuppertal. Herr Scheugenpflug, können Wuppertaler gut über sich selbst lachen?Scheugenpflug: Ja, das können sie, aber sie brauchen Anleitung. Sie brauchen Kabarett und auch alkoholische Getränke, vielleicht sogar mehr als der Rheinländer. Über was lacht das Tal denn gerne?Scheugenpflug: Speziell über andere, es heißt ja nicht umsonst Muckertal. Ein alter Ausdruck, man meckert ja gerne über andere. Da ist der Wuppertaler ganz stark. Über was oder wen haben Sie das letzte Mal gut gelacht?Scheugenpflug: Über die Internetseite unseres Landtagsabgeordneten Peter Brakelmann. Über die habe ich sogar Tränen gelacht. Auf dieser Seite steht nahezu nichts. Richtig witzig wird es aber, wenn man auf "Aktion" klickt. Dann kommt als Ergebnis "not found" und die englische Beschreibung von "Entschuldigung, aber Sie suchen hier etwas, was es nicht gibt." Das ist schon fast satirisch, oder?Scheugenpflug: Es ist satirisch. Aber in der Politik wird ohnehin viel mehr Kabarett gemacht als auf Deutschlands Bühnen. Damit meinen Sie auch Horst Ellinghaus, der wie ein Löwe in Düsseldorf gekämpft hatScheugenpflug: Ja, da habe ich sehr gelacht. Der Löwe würde nämlich nie für andere kämpfen. Der Löwe kämpft für sein Revier und für einen vollen Magen. Und auch das nur im Notfall, denn sonst überlässt er das auch noch seinem Weibchen. Vielleicht hätte er das besser mal getan. Spaß beiseite, wer ist denn der Humorloseste in Wuppertal?Scheugenpflug: Wie es scheint Oberbürgermeister Peter Jung. Ich habe ihn bis zum heutigen Zeitpunkt noch nie bei offiziellen Anlässen lachen sehen, höchstens einmal grinsen. Liegt das vielleicht an der finanziellen Situation der Stadt, da kann einem ja das Lachen vergehen?Scheugenpflug: Humor ist, wenn man trotzdem mal lacht. Die Wuppertaler Kassen sind ja nicht erst seit gestern leer. Und wenn man so lange nicht mehr lacht, dann verpasst man einen wichtigen Teil des Lebens. Was empfehlen Sie dem Oberbürgermeister?Scheugenpflug: Sich einerseits humorvoller zu präsentieren, in manch anderen Angelegenheiten jedoch wesentlich ernsthafter zu werden. Die Pannen der letzten Zeit, wie etwa das Opernhausumfeld, der Stadionumbau, das kostenlose Schulmittagessen und ähnliches, die sind ja auch mit viel Humor kaum zu erklären. Wo ist für Sie das Tabu?Scheugenpflug: Ich glaube, beim politischen Kabarett gibt es kaum Tabus. Das Kabarett muss Missstände deutlich aufzeigen - ich kenne allerdings nur noch ein paar Kollegen in Deutschland, die damit so umgehen, wie man sollte. Erstaunlicherweise geschieht das vorrangig in Bayern. Ich bin der Meinung, man kann es gar nicht hart genug sagen. Ist Harald Schmidt für Sie ein Vorbild?Scheugenpflug: Nein, ein persönliches Vorbild nicht, wobei ich Harald Schmidt sehr schätze, weil er all die Attribute eines guten Kabarettisten vorweisen kann. Ob er das jetzt im Moment im Fernsehen noch zeigt, das wage ich zu bezweifeln. Durch den Zusammenschluss mit Oliver Pocher sind wir an einen Punkt gekommen, wo man wieder einmal bei Harald Schmidt zusehen kann, wie er sich selbst demontiert. Welche Attribute braucht denn ein guter Kabarettist?Scheugenpflug: Eine sehr kritische Sicht auf die Dinge, die um ihn herum passieren und den schonungslosen Umgang mit Angelegenheiten, die die Politik gerne verschweigt. Der Kabarettist hat die Aufgabe, den Finger in die Wunde zu legen. Viele behaupten ja, das politische Kabarett in Deutschland sei tot, ich glaube nicht, dass das so ist. Aber, man ist von der eigentlichen Sicht der Dinge abgekommen, Tatsachen glasklar beim Namen zu nennen. Wuppertal bietet doch einen reich gedeckten Tisch für einen Kabarettisten?Scheugenpflug: In der Tat wir haben ja in Wuppertal und Umgebung außer der Satirezeitschrift Italien, die ich nach wie vor sehr schätze, keinen politischen Kabarettisten, auch ich gehöre nicht zur Garde der ernsthaften politischen Kabarettisten. Da gibt es sehr viel Nachholbedarf, den ich ja auch mit der Gründung der bergischen Akademie für Kabarett und Comedy zu befriedigen versuche. Am Nachwuchs fehlt es ja. Was ist denn ihre Stilrichtung im Kabarett. Sind das die Absurditäten des täglichen Lebens?Scheugenpflug: Ja, einerseits, es ist aber auch sozialkritisch. Ich liebe Absurdes, davon kann man in Wuppertal sehr viel finden. Zum Beispiel?Scheugenpflug: Absurd ist etwa, wie bestimmte Vorkommnisse und Skandale im Tal dargestellt werden und wurden, wie etwa das Verhältnis zwischen Clees und Kremendahl. Das wurde in Wuppertal nie richtig dargestellt. Und diese Aufklärung kann das Kabarett leisten, meinen Sie?Scheugenpflug: Ja, ich denke, dass es das kann. Seit einem Jahr beschäftige ich mich mit dem Gedanken, mal wieder politisches Kabarett zu machen, gerade auch auf lokaler Ebene. Aber das ist schon ein sehr hartes Brot, denn die Dinge ändern sich fast täglich. Schreibe ich heute ein lokales Programm, kann es sein, dass dies schon morgen nicht mehr gilt. Wann können wir mit den ersten großen Nachwuchstalenten aus ihre Schule rechnen?Scheugenpflug: Ich hoffe sehr bald, aber die Aufbauarbeit dauert nun mal. Ich versuche gerade durch Kooperationen mit den Schul-Kabaretts, die ja teilweise ganz hervorragend sind, talentierten jungen Leuten auch nach der Schule eine Perspektive zu bieten. Braucht man eine andere Bühne in der Stadt?Scheugenpflug: Ja, die braucht man. Im Rahmen einer Kleinkunstbühne?Scheugenpflug: Ja, einer wirklichen Kleinkunstbühne. Es läuft ja eine Kooperation mit den Wuppertaler Bühnen und ich habe mir angesehen und war völlig überrascht, wie man aus einem einfachen Container einen wunderschönen Auftrittsort für 60 bis 70 Leute machen kann. Der steht ja vor dem Schauspielhaus. Das halte ich für eine der innovativsten Einrichtungen, die in Wuppertal realisiert wurden. Wen würden Sie denn wirklich gerne auf die Schippe nehmen?Scheugenpflug: Den Bundestagabgeordneten Manfred Zöllmer. Ich würde ihm gerne die Frage stellten, ob die Einschätzung eines seiner Kollegen in Berlin stimmt, der mir mal persönlich sagte, dass "der schöne Manni" lediglich seine schicken Anzüge nebst roter Krawatte durch die Gänge des Bundestagshauses spazieren führt, ansonsten aber kaum in Erscheinung tritt. Nun kann Herr Zöllmer je gerade jetzt das Gegenteil beweisen, nachdem er sich öffentlich bereit erklärt hat, sich nachdrücklich für eine Förderung des Bahnhofssanierung einzusetzen. Ich hoffe, er kämpft nicht wie ein Löwe, sondern wie ein Abgeordneter der Bürger des Tals. Ich jedenfalls werde das aufmerksam verfolgen.

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