Interview „Nur für Gotteslohn arbeiten wir natürlich auch nicht“

Michael Dohmann, Geschäftsführer des Klinikverbundes St. Antonius und St. Josef, über das Krankenhauswesen in Wuppertal.

Michael Dohmann ist Geschäftsführer des Klinikverbundes St. Antonius und St. Josef.  Archivfoto: Andreas Fischer

Michael Dohmann ist Geschäftsführer des Klinikverbundes St. Antonius und St. Josef. Archivfoto: Andreas Fischer

Foto: Fischer, A. (f22)/Fischer, Andreas (f22)

Wie ist die Situation im Krankenhauswesen in Wuppertal?

Michael Dohmann: Wir haben drei starke Partner, drei Krankenhäusträger, katholisch, evangelisch und Privat. Ich glaube, dass für die 360 000 Einwohner eine gute Patientenversorgung vorhanden ist und die Patienten in allen Krankenhäusern gut versorgt werden.

Sie investieren in den Standort an der Bergstraße. Was genau machen Sie und mit welchem Ziel tun Sie es?

Dohmann: Wir haben uns vor einigen Jahren entschieden, ein asdf-Haus zu werden. Das heißt, wir haben hier überwiegend orthopädische Fachabteilungen. Und diesen Schritt machen wir gerade wieder rückgängig.

Warum?

Dohmann: Wir wollen uns wieder öffnen auch für Akutpatienten. Das heißt, wenn hier jemand auf der Straße umfällt, dann kann er auch wieder zu uns gefahren werden. Wir werden pneumoligische, gastrologische, unfall- und allgemeinchirurgische und später vielleicht kardiologische und HNO-Abteilungen ansiedeln.

Ist das eine Korrektur in dem Sinne, dass der alte Plan nicht funktioniert hat?

Dohmann: In der Vergangenheit haben wir einen Markt besetzt, den die anderen Häuser nicht so besetzten, nämlich die Orthopädie. Aber beide Konkurrenten sind auf den Markt eingestiegen. Auch im Bethesda werden heute Hüften gemacht, im Helios Hüften und Knie, so dass uns unser Markt ein wenig verloren geht. Im Übrigen glaube ich, dass einem Innenstadtkrankenhaus eine Akutversorgung gut tut. Wir wollen das an unseren beiden Standorten anbieten.

Wie wichtig ist Wirtschaftlichkeit für ein Krankenhaus in konfessioneller, in Ihrem Fall katholischer Trägerschaft?

Dohmann: Wir sind auch ein Wirtschaftsunternehmen, gar keine Frage. Aber bei uns steht nicht der Gewinn im Fokus, sondern eine gute Patientenversorgung. Trotzdem müssen auch wir wirtschaften. Da die Investitionsmittel vom Land für Krankenhäuser sehr begrenzt sind, haben wir auch bei uns eine kleine Gewinnerwartung.

Die wie  hoch liegt?

Dohmann: Für unsere Häuser hier, St. Josef und St. Petrus, liegt sie bei drei Prozent. Aber diese drei Prozent werden komplett verwendet, um sie zu investieren. Das tun wir gerade an beiden Standorten.

Im Gesundheitsmarkt in Deutschland wird jeden Tag eine Milliarde Euro umgesetzt. Das ist dann ja auch ein knallhartes Geschäft, oder?

Dohmann: Es ist ein hartes Geschäft. Wir sind fast so groß wie die Automobilindustrie. 365 Milliarden Euro im Jahr oder sogar noch mehr. Damit sind wir eine der größten Wirtschaftszweige in der Bundesrepublik. Die Frage ist, will man mit diesem Wirtschaftszweig Geld verdienen oder will man Patienten versorgen. Wir sind in einem relativ regulierten Markt, so gibt das Land NRW beispielsweise die Bettenzahl in Krankenhäusern vor, auf der anderen  Seite haben wir einen harten Wettbewerb.

Und der Markt sowie die Wettbewerber werden beobachtet?

Dohmann: Ja, wir machen auch Martbeobachtung. Wir schauen uns an, wie die Einweiserstrukturen sind, wir gucken uns an, wie die Marktbewegungen sind. Das machen wir auch sehr gezielt. Und wir schauen, was wirtschaftlich gut und schlecht ist. Wir tragen aber auch defizitäre Bereiche mit, solange wir es können.

Welche sind das?

Dohmann: Die chirurgischen Bereiche sind nicht sehr lukrativ. Die Ambulanzen sind hochdefizitär, weil sie nicht gut ausfinanziert sind. Trotzdem wollen wir diese Leistungen anbieten. Wir haben uns aber von der Geburtshilfe getrennt. Sie war hochdefizitär. Deshalb haben wir sie an einen größeren Träger abgegeben, der das vielleicht durch Synergieeffekte in an anderen Bereichen besser ausnutzen kann. Wir hatten in der Anna-Klinik am Ende nur noch 55 Patienten. Heutzutage können Sie kein Krankenhaus betreiben, dass weniger als 150 Betten hat. Wir sind hier im Josef-Krankenhaus bei 157 Betten. Deshalb ist unser Ziel, uns breiter aufzustellen, damit wir das wirtschaftlich auch gut hinbekommen können.

Das war natürlich ein harter Schnitt. Ganze Generationen von Wuppertalern sind in der Anna-Klink geboren.

Dohmann: Sie können mir glauben, das war einer der härtesten Schritte, die ich in meiner Karriere machen musste. Gerade für eine katholische Klinik ist der Geburtsbereich ein sehr wichtiger. Deshalb war es auch sehr hart, unsere Gremien davon zu überzeugen, dass dieser Bereich wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist. Ich muss auch ganz offen sagen, gerade die Geburtshilfe ist in unserem Gesundheitssystem nicht gut bezahlt. Die Hebammen sind schlecht bezahlt. Es gibt keinen Bereich, der in Deutschland häufiger geschlossen wird als die Geburtshilfe. Wir hatten insgesamt aber auch zu viele Standorte. Die Faustregel sagt, einen Standort mit weniger als 750 Geburten im Jahr ist überhaupt nicht wirtschaftlich.

Wo wir schon von Hebammen sprechen. Welchen Anteil an den Gesamtkosten eines Krankenhauses macht eigentlich das Personal aus?

Dohmann: Grob kann man sagen, circa zwei Drittel, auf jeden Fall über 60 Prozent. Private Ketten kommen auch mit weniger aus, vielleicht weil sie besser strukturiert sind, vielleicht weil sie effektiver arbeiten, vielleicht ist aber auch die Versorgung nicht so gut.

Wie ist denn der Personalschlüssel?

Dohmann: Wir erfüllen heute schon in vielen Fällen die künftige Mindestpersonalbesetzung pro Station. Aber unter bestimmten Situationen, Krankheit zu Beispiel, unterschreiten wir diese Grenzen auch mal.  Das will ich gar nicht wegreden. Da müssen wir uns noch anstrengen. Aber trotzdem sind wir da besser aufgestellt als viele Krankenhausträger, die vielleicht ein bisschen mehr das Geld verdienen im Fokus haben. Nur für Gotteslohn arbeiten wir natürlich auch nicht, aber Geld zu verdienen ist nicht der primäre Fokus.

Sie sagen, dass Sie in der Martkbeobachtung  auch die Patientenströme im Blick haben. Lassen die sich beeinflussen?

Dohmann: Ich habe da eine relativ einfache Philosophie: Betreiben Sie eine gute Medizin, eine gute Pflege, dann wird sich das auf dem Markt mittelfristig rumsprechen. Auch wir haben vor einiger Zeit die Dinge nicht so gut gemacht. Das haben wir bemerkt. Wir müssen es schaffen, dass wir als Krankenhaus bekannt werden, das gute Medizin, gute Pflege macht. Ich glaube, dass man dadurch mittelfristig wieder Patienten hinzugewinnen kann.

Inwieweit arbeiten Krankenhäuser mit Fachärzten und niedergelassenen Ärzten zusammen?

Dohmann: Natürlich versuchen wir mit niedergelassenen Ärzten zusammenzuarbeiten. Wir haben ein gut funktionierendes Einweisermanagement. Aber die Krankenhäuser gegen derzeit auch dazu über, die Praxen niedergelassener Ärzte zu kaufen. Dieser Trend ist in vielen Bereichen schon sehr weit fortgeschritten. Wird aber noch dramatischer werden. Experten sagen, dass in fünf bis zehn Jahren 80 Prozent aller Facharztpraxen an Krankenhausketten verkauft sind.

Sind wir dann nicht auf dem Weg zu Monopolmärkten, den der Träger mit dem meisten Geld besetzt?

Dohmann: Die Tendenz ist ein wenig so. Die Ketten, die über das meiste Geld verfügen, haben natürlich auch mehr Möglichkeiten, Arztsitze zu kaufen. Aber auch wir als katholische Krankenhäuser werden da mitmischen müssen, ums uns nicht alle Einweiser wegkaufen zu lassen. Wir lassen die Sitze dann aber da, wo sie sind, und mischen uns nicht in die Organisation der Praxen ein. Das Einzige, was wir den Ärzten an Entlastung anbieten, sind in den administrativen Aufgaben. Der Patient soll bestenfalls gar nicht merken, dass die Praxis einem Krankenhaus gehört.

Das ist ein ganz interessanter Wettbewerb, den der Patient nicht versteht, weil er unmittelbar davon nicht bemerkt. Ist da gegenüber den Patienten noch genügend Transparenz im Markt?

Dohmann: Die große Transparenz ist da nicht. Das kriegt der Patient teilweise gar nicht mit. Für den Patienten ist einfach wichtig, dass er weiter eine gute Versorgung bekommt. Wenn man heute den Markt anschaut, dann ist gerade bei den Augenärzten und im radiologischen Bereich heute schon bei den großen Ketten. Aber ich glaube, dass da trotzdem eine gute Versorgung gemacht wird. Für den Patienten ist es gar nicht so dramatisch, dass das passiert. Es sei denn, dass die persönliche Freiheit, sich den Arzt selbst auszusuchen dadurch weg ist, dass viele Sitze einer Fachabteilung bei einem Großträger etabliert sind. Dann wird es allerdings kritisch. Dann passiert es auch, dass aus einem Facharztbereich nur das eine Krankenhaus belegt wird. Solange es eine Vielfalt da ist, solange es verschiedene Träger gibt, sehe ich das unproblematisch. Wir haben uns entschlossen, wir lassen usn den Markt nicht wegkaufen. Aber nur, wenn wir es müssen.

Jetzt sind Sie schon ein paar Jährchen in dem Geschäft unterwegs.

Dohmann: 23 Jahre

Trauen Sie sich eine Prognose darüber zu, wie das Krankenhauswesen Wuppertals in zehn Jahren aussehen wird?

Dohmann: Schwierige Frage. Ich glaube, dass sich der Markt gar nicht so sehr verändern wird. Ich glaube nicht, dass es dann nur noch ein Großklinikum geben wird. Wir haben in Wuppertal drei Träger, die in einer gewissen Weise auch alle potent sind. Ich glaube, das bleibt erhalten, es sei denn, dass ein großer Träger hier so viel Geld investiert, um es den anderen schwer zu machen. Das kann natürlich passieren. Aber die Menschen müssen sich sicher darauf einstellen, dass es weniger kleine Krankenhäuser geben wird. Und es wird bei den Operationen nur noch wenige Standorte geben, die spezielle Eingriffe machen, wie Leberresektion oder Herzsachen oder Hüft- und Knieimplantationen.

Warum?

Dohmann: Das sollten Standorte machen, an denen das nicht nur zehnmal im Jahr vorkommt, sondern 100, 200 oder 1000 im Jahr. Je mehr Übung ein Arzt hat, desto besser kann er es auch. Deshalb wird es Zentrenbildung geben, in denen die Spezialisten sitzen. Ich habe aber nicht die Befürchtung, dass die anderen Träger hier in Wuppertal verschwinden werden.

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