Internet-Beschimpfungen: Der späte Widerruf eines Schulleiters

Im vergangenen Jahr geriet ein Realschüler unter Verdacht, im Internet eine Lehrerin übel beschimpft zu haben. Eineinhalb Jahre später ist der Fall endgültig erledigt.

Wuppertal. Es war der Aufreger an einer Wuppertaler Realschule im vergangenen Jahr. In einem Chatroom im Internet war eine Lehrerin der Schule übel beschimpft worden: Schlampe, Hure, Bitch: Gegen die Pädagogin soll auf jener Webseite sogar eine mehr oder weniger deutliche Morddrohung ausgesprochen worden sein. Als der Direktor der Schule davon erfuhr, erstattete er Anzeige gegen Unbekannt und begann mit schulinternen Ermittlungen. Auftakt für eine eineinhalbjährige Hängepartie, die erst jetzt für einen offensichtlich unschuldigen Schüler zu Ende ging.

Dabei schien der Internet-Fall schnell geklärt zu sein. Die Kripo hatte einen 13-Jährigen aus Radevormwald ermittelt, der unter falschem Namen die Beleidigungen und Drohungen bei einer Computerparty ins Internet geschrieben haben soll. Dieser damals 13-Jährige besucht besagte Realschule nicht, die beschimpfte Lehrerin kannte er ebenfalls nicht, so die Ermittler. Vor der Kripo und seinen Eltern soll er bekannt haben, aus "Quatsch und Übermut" gehandelt haben. Der Radevormwalder gab außerdem zu, den abgekürzten Namen eines anderen Internetnutzers dazu missbraucht zu haben.

Ein schlechter Spaß mit schlimmen Folgen. Denn der 13-Jährige signierte sein Pamphlet offenbar mit dem Namen eines damals 16 Jahre alten Jugendlichen, der zur Tatzeit jene Realschule besuchte, an der auch die bedrohte Lehrerin unterrichtet. Und so geriet der Realschüler prompt ins Visier des Direktors: Obwohl sich der 13-Jährige längst als Übeltäter zu erkennen gegeben hatte, weil er merkte, dass der 16-Jährige zu Unrecht unter Verdacht stand, eskalierte der Fall (die WZ berichtete).

Die Eltern des Schülers, dessen Name in dem Internet-Pamphlet verwendet worden sein soll, erstatteten Anzeige gegen den Direktor. Inhalt: üble Nachrede, Verleumdung und Nötigung. Schwere Vorwürfe gegen den Leiter einer Bildungseinrichtung.

Die Eltern begründen ihr Handeln damit, dass der Direktor seine Vorwürfe gegen ihren Sohn trotz Aufforderung und erwiesener Unschuld nicht zurücknehmen wollte. Der Direktor wiederum berief sich auf seine schützende Funktion dem Kollegium gegenüber und auf das schwebende Ermittlungsverfahren. Trotz außergerichtlicher Gespräche musste am Ende das Verwaltungsgericht Düsseldorf den kuriosen Fall entscheiden. Ergebnis: Der Direktor widerrief seine Behauptung - eineinhalb Jahre nach dem Vorfall.

Klaus Sewald, Rechtsanwalt des Realschülers, auf WZ-Nachfrage: "Es ist bedauerlich, dass es eineinhalb Jahre dauert, bis ein Schuldirektor eingesteht, dass er übers Ziel hinausgeschossen ist." Zwar seien die Vorwürfe auch aus der Schülerakte gestrichen worden, eine Entschuldigung habe es aber immer noch nicht gegeben. Sewald stellt klar: "Uns ging es definitiv nicht um irgendwelche Schadenersatz- oder Schmerzensgeldforderungen." Um Geld geht es allerdings auch. Die Kosten des Verfahrens muss laut Gericht jedenfalls der beklagte Schuldirektor zahlen. Dessen Kommentar: "Das hat leider alles zu lange gedauert. Aber der Fall ist jetzt erledigt."

Lehrerbenotung Der Umgang von Schülern im Internet: Dazu gibt es mittlerweile Gerichtsurteile. So entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf jüngst, dass Schüler ihre Lehrer im Internet benoten dürfen. Wie berichtet, hatte eine Gymnasiallehrern vom Niederrhein gegen ihre Benotung auf der Seite www.spickmich.de geklagt - erfolglos. Mehr als 400000 Schüler sind mittlerweile auf dieser Seite angemeldet.

Urteil Das OLG wies die einstweilige Verfügung der Lehrerin zurück. Die Internet-Seite sei ein wichtiger Beitrag zur Meinungsfreiheit unter Schülern, heißt es in der Begründung. Die Einschränkung: Werturteile sind erlaubt, Beleidigungen verboten. Schüler haben das Recht, fair zu bewerten, Beleidigungen muss sich kein Lehrer gefallen lassen. Problematisch bleibt die Rubrik "Zitate": Dort können Schüler Lehrer-Zitate eintragen. Ist der Spruch so nicht gesagt worden, kann sich der Lehrer dagegen wehren.

Ausblick Der Rechtsstreit um die Lehrerbenotung im Internet ist noch nicht abgeschlossen. Möglicherweise wird der Fall von einem der obersten Gerichte entschieden. Ob und wann, ist offen.

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