Integration 160 Nationen lernen eine Sprache

Gerade bei EU-Einwanderern besteht die Gefahr der Isolation. Doch die Stadt geht gezielt in die Gemeinschaften.

 Das Thema Spracherwerb ist bei EU-Einwanderern schwieriger als bei Flüchtlingen – denn diese werden systematisch unterstützt.

Das Thema Spracherwerb ist bei EU-Einwanderern schwieriger als bei Flüchtlingen – denn diese werden systematisch unterstützt.

Foto: dpa

In Wuppertal leben derzeit Menschen mit 160 verschiedenen Nationalitäten. Hinter den beiden größten Gruppen der Zugereisten, den Türken (10 772 Bürger) und den Syrern (8699), tauchen in der Statistik größere Gruppen von EU-Einwanderern auf: Italiener (6287), Griechen (5723), Polen (4748), Rumänen (2926) und Bulgaren (1856). Für sie kann der Integrationsschlüssel Spracherwerb zu einem Problem werden - mehr noch als bei den Flüchtlingen.

Hans-Jürgen Lemmer, Ressortleiter Zuwanderung und Integration bei der Stadt, erklärt: „Der Zugang zu Sprachkursen ist kein Thema für Geflüchtete. Sie erhalten systematisch alle Informationen und müssen sich zunächst auch nicht um ihren Lebensunterhalt kümmern. Problematischer ist das bei den EU-Bürgern.“ Kommt beispielsweise ein polnischer Staatsbürger nach Wuppertal, so hat er kein Anrecht auf die Teilnahme an einem staatlichen Sprachkurs und erhält in den ersten fünf Jahren auch keine Sozialleistungen. Er muss arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Das Thema Spracherwerb
rückt in den Hintergrund

Das kann dazu führen, dass das Thema Spracherwerb in den Hintergrund gerät. Auch Arlin Cakal-Rasch vom Zentrum für Integration, Bildung und kulturelle Vielfalt in Barmen, sagt, dass es eine „systematische Schwachstelle“ bei den EU-Zuwanderern gibt. Wie ist das Erlernen einer Sprache mit einer Vollzeitarbeit vereinbar? Wie lassen sich Arbeitszeit und Kursangebot unter einen Hut bringen? Cakal-Rasch: „Da muss man kreative Lösungen finden.“ In der Praxis sehe das so aus, dass beispielsweise Arbeitgeber ihre neuen Mitarbeiter teilweise freistellen müssen. Wenn sie denn so kulant sind.

Zumindest um das Thema der Finanzierung muss sich in Wuppertal kein EU-Einwanderer sorgen machen. Das Projekt „Zuhause in Oberbarmen“ nimmt sich ihner an. Hier gibt es nicht nur Beratung, sondern auch die Möglichkeit, kostenlos an Sprachkursen teilzunehmen. Das wird durch die finanzielle Unterstützung des Landes und des Europäischen Sozialfonds möglich.

In Oberbarmen liegt die Quote der Migranten bei über 63 Prozent

Die zentrale Anlaufstelle an der Berliner Straße 150 ist generell für Wuppertaler Migranten aus allen Stadtteilen offen, aber sie ist nicht zufällig in Oberbarmen angesiedelt. Oberbarmen-Schwarzbach gehört mit Barmen-Mitte und Rehsiepen zu den Quartieren, in denen die meisten Menschen mit Migrationshintergrund leben.

In Oberbarmen ist die Quote der Migranten seit 2014 von 56 Prozent auf mehr als 63 Prozent gestiegen. Jeweils mehr als 1000 Griechen und Türken zogen seitdem ins Quartier und nochmal fast so viele Polen. „Die Menschen ziehen dahin, wo sie jemanden kennen. Das ist Ketten-Migration“, sagt Arlin Cakal-Rasch.

Die drei genannten Viertel hat Ressortleiter Hans-Jürgen Lemmer als Problemlagen identifiziert. Dort gibt es vielschichtige Probleme wie Kleinkriminalität, Perspektivlosigkeit und eine steigende Gewaltbereitschaft. Lemmer sagt aber, dass das nicht an der Migration an sich liege. Dieser Trend hänge mit der Struktur insgesamt zusammen: sozialen Problemen, der Zahl der Arbeitslosen.

Die Sorge ist, dass sich Bevölkerungsgruppen abschotten und Gemeinschaften innerhalb der Gemeinschaft bilden, sogenannte Communities. An der Berliner Straße und Umgebung in Oberbarmen ist prominent zu sehen, wie sich griechische Tavernen, Cafés und Lebensmittelläden auf engstem Raum angesammelt haben. Dort wird naturgemäß auch viel in der entsprechenden Landessprache gesprochen.

Problematisch ist das in Wuppertal nicht, wie Cakal-Rasch sagt. „Wir haben eine sehr enge Kooperation mit den Communities“, sagt sie. Es sei nicht zu beobachten, dass sich im Tal ganze Bevölkerungsschichten abschotten und den Erwerb der deutschen Sprache und damit die Integration verweigern. „Aus unserer Sicht können das nur Einzelfälle sein“, sagt sie.

Damit auch alle Betroffenen überhaupt von ihren Möglichkeiten erfahren, wird in Wuppertal aufsuchende Arbeit geleistet. Das Projekt „Valponto Plus“, von den Migrationsdiensten der Diakonie Wuppertal federführend betrieben, schickt Mitarbeiter gezielt in Kulturvereine und -cafés, um auf die Menschen zuzugehen, die bislang durchs Raster gefallen sein mögen. Und dann gibt es da noch ein weiteres Fallnetz: die Ehrenamtler. Nach Rehsiepen in Ronsdorf ist eine größere Gruppe Kriegsflüchtlinge aus Syrien zugewandert (rund 450). Für sie sind zwar Sprach- und Integrationskurse staatlich geregelt, trotzdem haben die Ronsdorfer verstanden, dass damit die Integration noch lange nicht abgeschlossen ist.

Seit Februar gibt es in einer angemieteten Wohnung ein Begegnungszentrum für Menschen aller Herkunftsländer im Quartier. Der Verein „Herz und Hand“ hat sich gekümmert, getragen wird er von den vier großen Kirchen Ronsdorfs und der Initiative „Willkommen in Ronsdorf“. Bezirksbürgermeister Harald Scheuermann-Giskes bestätigt den Erfolg: „Die Syrer sind gut im Quartier angekommen.“

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