Analyse In Wuppertal gibt es weniger politisch motivierte Straftaten

Die Zahl der Straftaten aus allen politischen Lagern ist von 238 auf 179 gesunken. Die meisten kommen aus dem rechten Bereich.

 Am 20. April 2019 versammelten sich Anhänger der Partei „Die Rechte“ in Wuppertal. Die Partei wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie gilt als Sammelbecken von Neonazis.

Am 20. April 2019 versammelten sich Anhänger der Partei „Die Rechte“ in Wuppertal. Die Partei wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie gilt als Sammelbecken von Neonazis.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die Zahl der politisch motivierten Straftaten hat in Wuppertal im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent abgenommen. Die Zahl ist von 238 auf 179 gesunken. Das berichtet die Polizei auf Anfrage nach Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts des Landes durch Innenminister Herbert Reul (CDU).

Die Zahl der politisch motivierten Taten „im Phänomenbereich Rechts“ hat dabei weiterhin den größten Anteil. Davon gab es 89 im Jahr 2019, die Zahl ist aber seit 2018 gefallen, als sie bei 152 lag. Im Jahr davor lag sie noch bei 188.

Darunter sind aktuell sechs Fälle von Gewaltkriminalität. Dazu zählen „Widerstand, Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung sowie Brandstiftung“, erklärt Alexander Kresta, Pressesprecher der Polizei Wuppertal.

Weiter kommen 83 Straftaten aus „dem Bereich Sachbeschädigungen, Beleidigungen“, und „insbesondere Verstöße wegen Volksverhetzung, §§ 86 und 86 a StGB“. Die Anzahl sei „signifikant“. Die Paragrafen beziehen sich auf das Tragen von NS-Zeichen, das Aufmalen von Hakenkreuzen oder das Zeigen des Hitlergrußes.

Die Polizei hat bereits in der Vergangenheit auf eine hohe Dunkelziffer hingewiesen, gerade bei Verstößen gegen die letztgenannten Paragrafen.

Von 2017 auf 2018 waren Straftaten in diesem Zusammenhang von 65 auf 85 Fälle gestiegen. Die aktuelle Zahl dürfte sich dazwischen bewegen. Professorin Astrid Messerschmidt sagte bereits vergangenes Jahr im Gespräch mit der WZ, dass der Raum der Tragbarkeit solcher Zeichen in den vergangenen Jahren erweitert worden sei. Das Tragen von NS-Symbolen stehe für eine „provokante Selbstdarstellung unter bewusster Missachtung der Opfer“. Das spiegele eine Stimmungslage wider, die „gleichgültig ist gegenüber der Geschichte und Wirkung dieser Zeichen“.

Das Zeigen und Tragen verbotener Symbole ist weiter relevant

Immer wieder hängen Anzeigen solcher Fälle mit Demonstrationen der Partei „Die Rechte“ zusammen, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Partei hatte sich in Wuppertal 2019 am 20. April auf die Straße in Barmen begeben und am 22. Mai am Döppersberg eine Versammlung abgehalten. Beide Male waren deutlich mehr Gegendemonstranten dort als Menschen, die den Rechten folgen wollten.

Trotz der gesunkenen Zahlen sieht Nina Bramkamp, Geschäftsführerin der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz, keinen Anlass zur Entwarnung. Sie sieht die Gewalttaten schon als schlimmstmögliche Fälle und verweist bei den anderen Zahlen auf die Dunkelziffer, die im schlimmsten Fall auf Toleranz solcher Aussagen hinweise. Die Zahlen seien der eine Aspekt, die täglichen Erfahrungen der Betroffenen, der Schwarzen oder Muslime, der andere. Und diese Menschen erführen keine Entspannung der Situation.

Zahlen von Vergehen aus der Linken Szene werden mehr

Gerade die Radikalisierung im Internet sei ein großes Problem – das auch Herbert Reul benannt hat. Er nannte das Netz, in Anlehnung an das Buch der Politikwissenschaftlerin Julia Ebert – eine „Radikalisierungsmaschine“.

Gerade dort entstünden Mischbewegungen, die von radikalen Rechten aufgebaut oder unterwandert würden, aber ebenso Bürger der Mitte anzögen, erklärt Bramkamp. Etwa die Gruppe „Fridays gegen Altersarmut“, die im Januar in Wuppertal demonstrierte – begleitet von einem Aufruf der Partei Die Rechte – oder aktuell die Corona-Rebellen. In solchen Gruppen würden antisemitische und ausgrenzende Narrative erzählt, was aber nicht allen Teilnehmern bewusst sei.

Bramkamp plädiert für eine Kultur des Widerspruchs gegen solche Erzählungen und Äußerungen – online wie im realen Leben, und für einen sensiblen Umgang mit der Sprache. Schon das Wort „Fremdenfeindlich“ sei eigentlich ein Wort, dass der rechten Seite in die Karten spiele, weil es impliziert,  dass Opfer Fremde seien. „Aber das sind Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft“, mahnt Bramkamp. Sie sieht in den Worten den Nährboden für weitere Taten, daher müsse man früh einschreiten.

Die Polizei berichtet darüber hinaus von einer gestiegenen Anzahl Links-motivierter Straftaten - 65 gegenüber 58 im Jahr 2018. Sechs davon waren Gewaltdelikte (8), 37 Sachbeschädigungen. Hinzu kommen 13 Delikte aus dem Bereich ausländische / religiöse Ideologien. 2018 waren 18 Delikte.

„Die sinkenden Zahlen sind ein positives Signal. Nichtsdestotrotz werden wir in unseren Anstrengungen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität nicht nachlassen. Die Bekämpfung des Extremismus ist bereits seit dem Jahr 2012 ein behördenstrategischer Schwerpunkt“, sagt Kresta.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort