Festival Literatur zwischen Sarg und Urnen

Nordstadt. · Beim Festival „Der Berg liest“ gab es in der Nordstadt auch viele ungewöhnliche Lese-Orte.

 Ulrike Münter las bei Kirschbaum Bestattungen vor. Eine Veranstaltung, die bei den Anwesenden gemischte Gefühle hervorrief.

Ulrike Münter las bei Kirschbaum Bestattungen vor. Eine Veranstaltung, die bei den Anwesenden gemischte Gefühle hervorrief.

Foto: Fries, Stefan (fri)

So vielschichtig das Leben und die Beschreibungen darüber sind, so vielgestaltig und -stimmig war am Sonntag auch das mittlerweile fünfte Literaturfestival „Der Berg liest“. Sowohl in inhaltlicher wie stilistischer Hinsicht bot das Treffen für Literaturfans eine Vielzahl von Lesungen und literatur-affinen Veranstaltungen in der Nordstadt. Ungewöhnliche Orte und mitunter auch schwierige Themen gehörten dazu.

So beschäftigte sich eine der frühesten Lesungen des Tages mit den letzten Dingen. In den Räumlichkeiten der Kirschbaum Bestattungen an der Wülfrather Straße las Ulrike Münter Auszüge aus zwei Büchern, die sich mit den Themen Sterben und Tod befassen: Eines davon hieß „Letzte Wünsche“ und stammte von dem Journalisten Alexander Krützfeld. Krützfeld berichtet aus dem Leben eines Mannes, der nach dem Krebstod seiner Frau einen Verein gegründet hat, um todkranken Menschen ihre letzten Wünsche zu erfüllen.

Die Lesung fand neben Särgen statt, die Urnen standen ebenfalls nur einige Meter entfernt. Münter rezitierte unter anderem aus einem Kapitel, in dem geschildert wird, wie sich eine sterbenskranke Frau, die bereits in einem Hospiz untergebracht ist, mit einem letzten Besuch in ihrer Wohnung, einen Herzenswunsch erfüllt. Am Morgen nach dem Besuch war sie tot.

Die Zuhörer reagierten zwiespältig auf die Ausführungen. „Das hörte sich ja nicht sehr aufbauend an“, erklärte ein Mann unumwunden. Das sah eine andere Zuhörerin anders: Es sei doch „schön, zu sehen, dass man nicht allein mit dem Thema ist“. Und eine Hospizbegleiterin, die ebenfalls im Publikum saß, verwies darauf, dass der Tod in unserer Gesellschaft „weggesperrt“ werde. Dabei sei der Umgang mit Sterbenden auch für die Angehörigen und Hilfeleistenden wichtig, bringe er doch „andere Sichtweisen aufs eigene Leben“.

Dem Thema „unbekümmerte Jugend“ widmete sich dagegen die Vorführung mit Musikern des Sinfonieorchesters Wuppertal, die in den Grenzbereich von Musik und Theater führte. In der Filiale der Stadtsparkasse an der Hochstraße trugen fünf Musiker des Orchesters (Catarina Laske-Trier - Querflöte, Andreas Heimann - Oboe, Selina Lohmüller - Klarinette, Nicola Hammer - Fagott und Oliver Nicolai - Horn) „Peter und der Wolf“ von Sergei Prokofjew vor. Das Musikmärchen lockte zahlreiche Eltern mit ihren Kindern an – etwa 100 kleine und große Besucher versammelten sich in der Filiale.

Unterstützt wurden die fünf Blasmusiker von ihrem Kollegen Martin Schacht der ansonsten im Sinfonieorchester auf die Pauke haut. Er übernahm, sprach und spielte die Rolle der Titelfigur Peter und gab zudem den Animateur vor allem für die jungen Besucher, von denen etliche das Stück schon kannten. Die übrigen Akteure - der Opa, ein Vogel, eine Ente und eine Katze sowie der Wolf als Antiheld - wurden durch eine besondere Betonung eines der fünf Instrumente akustisch nachgebildet. Den Part der in dem Stück auftretenden Jäger übernahm das Publikum, das mit Klatschen das Schießen auf den Wolf nachstellte. Aber immerhin: Am Ende durfte auch das Raubtier in Zeiten der Nachhaltigkeit überleben und wurde mit großen Pomp in den Zoo gebracht.

Das Lesefestival ist zudem auch immer wieder ein willkommener Anlass, selbstgeschriebene oder bearbeitete Texte vorzutragen. Das war etwa bei Jürgen Meuter der Fall, der gemeinsam mit der Autorin Tanja Heinze in der „Waffeloase Chou Chous“ an der Brunnenstraße seine Übersetzung und Bearbeitung des Mark Twain Textes „Die Tagebücher von Adam und Eva“ vortrug. Meuter ist Lehrer an der St.-Anna-Schule und hat seit mehreren Jahren das Vorlesen zu seinem Hobby gemacht. Dabei hatte er mehrmals Texte von Twain vorgelesen, auf der Suche nach neuen Lektürevorlagen stieß er auf den Text „Auszüge aus Adams Tagebuch“, den der US-amerikanische Schriftsteller 1893 für ein Souvenirbuch über die Niagarafälle geschrieben hatte, sowie „Evas Tagebuch“, das 1905 in der Weihnachtsausgabe von „Harper’s Magazine“ entstand. Der Gymnasiallehrer übersetzte beide Texte neu und vereinte sie zudem zu einem witzigen Dialog, in dem Adam und Eva ihre jeweilige Welt- und Menschensicht zum Besten geben.

Die Beziehungsprobleme
von Adam und Eva

In wechselnden Rollen lasen Heinze und Meuter den jeweiligen Part von Eva oder Adam. So beklagt sich Eva über Adams „entsetzlich endloses Schweigen“ und hat zudem massive Probleme, einen dauerhaften Beziehungsstatus zu ihrem Gegenüber aufzubauen. Adam dagegen verweist darauf, dass er lieber allein bleiben möchte. „Ich bin keine Gesellschaft gewöhnt“, gibt er unumwunden zu. Die Annäherungsversuche von Eva kommen ihm zumindest anfangs gar nicht recht. Vielmehr wünscht er sich, dass sie „bei den anderen Tieren“ bleiben möge. Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Apfel, auf den Eva einen Blick geworfen hat.

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