Improvisieren als Lebensform

Klaus Harms hat seinen Roman „Der Möglichmacher“ vorgestellt.

Improvisieren als Lebensform
Foto: Stefan Fries

Ernst, auch etwas Traurigkeit lag in der Luft bei dieser besonderen Buchvorstellung. Denn „Der Möglichmacher“, so der Titel des Werks von Klaus Harms im NordPark Verlag, meint den Tod; und angelehnt ist sein Roman eng an Peter Kowald, den Pionier des Free Jazz, der 2002 starb und sein Freund war. Doch Buch wie Abend waren mehr: grundsätzlicher und ein Erlebnis für sich.

Denn im Wechsel mit den Lesepassagen hatte der Autor zwei Musiker an seiner Seite, die mit ihm keineswegs nur ein Begleitprogramm spielten. Tanja Kreiskott nutzte ihre Flöte atmosphärisch und ähnlich unvorhersehbar wie Harms selbst den Kontrabass. Die erstaunlichsten Töne indes kamen von Mitch Heinrich: Der Lautpoet brachte Jaulen, Knurren, Seufzen ins Spiel und unterstrich besonders das Thema des Buches - den Free Jazz als sperrige Kunstform.

Der Roman erzählt von einer Reise: Der Lehrer Harry folgt dem unbürgerlichen Musiker Pecko bis nach Sibirien. Die Reise ist so nicht historisch, aber „Pecko“ meint offenkundig Peter Kowald. Surreal treffen sie „den Tod in mehreren Gestalten“. Doch sie stoßen auch auf Menschen, die ganz anders Musik machen: „Als ihnen das Imitieren langweilig wurde, wagten sie eigene Klangentwürfe.“

Damit ist das eigentliche Thema des Buchs noch größer: Improvisieren - als Kunst-, vielleicht gar als Lebensform. Doch gefolgt ist Harry dem Freund im Leben vielleicht auch übertragen — zu sehr. Und so ist „Der Möglichmacher“ schließlich auch die Geschichte einer Selbstfindung. Schräg und doch stimmig gaben die drei zu alldem den musikalischen Kommentar.

Plus einer optischen Ebene übrigens: Im Hintergrund hingen drei Bilder von Jorgo Schäfer - von ihm stammt auch das Cover zum Buch. Er zeigt Mühen wie auch Verbundenheit eines Bassisten mit seinem Gerät, und auch via Farbwahl trugen die Motive sinnlich zum Gesamteindruck bei.

Wie eben die Musiker: Kaum hatte Harms einen Abschnitt zum Reiseantritt gelesen, klang es bei Kreiskott und Heinrich nach Exotik und Aufbruch. Und als der Ich-Erzähler am Ende seinen Frieden mit dem Tod macht, war beim Trio klar herauszuhören: Auch dreimal eigen kann versöhnlich - denn beim Improvisieren geht es auch um „leise Zwiesprache.“

Oder wie Harry einmal über sein Instrument sagt: „Ich habe mich nie sicherer gefühlt als auf dieser explosiven Kiste.“ Schon nach dem Eindruck des Abends möchte man das Buch zur Hand nehmen und dringend weiterempfehlen.

“ Klaus Harms: Der Möglichmacher, Nordpark Verlag, 276 Seiten; 15,90 Euro

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