Implantat gegen Inkontinenz

Bei einer Schwäche des Schließmuskels kann ein Schrittmacher helfen.

Wuppertal. Zu den letzten Tabuthemen der Medizin gehört die Stuhlinkontinenz. Betroffene wagen es oft nicht, darüber zu reden, meiden aus Scham die Öffentlichkeit - ihr Leben verliert an Qualität.

Rosemarie Hoffmann (66) litt zehn Jahre lang an einem Defekt des Schließmuskels und war stark inkontinent. Ein Besuch bei Freunden, im Restaurant oder ein Einkaufsbummel - für die 66-Jährige war das ein Martyrium und bedurfte Planung. "Ich kannte jede öffentliche Toilette in der Innenstadt", erinnert sie sich. Sie weiß: Inkontinenz ist beschwerlich und macht einsam. Ihr half eine neue Therapie: ein Impuls-Implantat. "Wir implantieren dem Patienten ein kleines elektronisches Gerät, das ähnlich funktioniert wie ein Herzschrittmacher", sagt Prof. Dr. Peter Prohm, Chefarzt der Koloproktologischen Klinik an der Vogelsangstraße.

Für Rosemarie Hofmann als Betroffene begann am Tag ihrer Operation, dem 31. März, dem Wortsinn nach ein neues Leben - ohne Entbehrung und Einschränkung im Alltag. Sie gehört der typischen Risikopgruppe an. "Vor allem Senioren und Frauen sind betroffen", klärt Prof. Prohm auf. Im Alter würden erst Spätfolgen einer Verletzung des Schließmuskels, etwa bei der Geburt eines Kindes oder anderen Operationen, auftreten.

Bislang wurde Stuhlinkontinenz medikamentös, durch Training der Beckenbodenmuskulatur, Diäten oder operativ oft mit einer Rekonstruktion des Schließmuskels, behandelt.

Das neue medizinische Verfahren würde nach Angaben von Prof. Prohm im Bergischen Land bisher nur in der Klinik an der Vogelsangstraße angewandt. Der "Schließmuskel-Schrittmacher" werde mittels einer Sakralnervenstimulation, bei der Nerven im Kreuzbeinbereich angeregt werden, den Schließmuskel geschlossen zu halten, implantiert.

Dem Patienten wird das Implantat dabei unter die Haut im oberen Bereich der Pobacke gesetzt. Der Schrittmacher besteht aus einer Batterie und zwei Elektroden, die an Nervenwurzeln hinter dem Kreuzbein enden. Der künstliche Impuls des Schrittmachers bewirkt, dass der Schließmuskel wieder die alte Stärke hat.

Zwanzig Schrittmacher hat Prohm seit Oktober vergangenen Jahres implantiert. Mit großem Erfolg, wie er sagt und verweist auf eine 90-prozentige Erfolgsquote. Erfolgreich war die Operation auch für Rosemarie Hofmann. "Ich hole mein verpasstes Leben nun gesund nach", sagt die 66-Jährige. Und so hat sie sich neue Hobbies gesucht: Fahrradfahren und Rock’n’Roll. Vor einem Monat wäre das noch unvorstellbar gewesen. akf

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