Im Stau auf der Straße der Phrasen

Jürgen Scheugenpflug ist Wuppertaler Kabarettist und Leiter der Kabarett-Academy. In seinem satirischen Wochen-Rückblick kommentiert er Ereignisse aus dem Stadtleben.

Wenn sich die zunehmend warme Luft aus dem Süden mit dem Acrylamid-Duft aus Nachbars Garten mischt, ist die Grillsaison eröffnet. Da lässt sich bei gut gewürzten Würstchen und gehopfter Kaltschale trefflich politisieren. Ob das am 9.Mai auch zu einem persönlichen Besuch der Wahllokale führt, bleibt nach den letzten Urnengängen nur zu hoffen.

Dabei geht es bei der Besetzung des künftigen Landesparlamentes gerade für Wuppertal um sehr viel. Haben wir doch schon zu erdulden, dass der in Wuppertal weitgehend kaltgestellte FDP-Beigeordnete für Schutz und Ordnung, Thomas Uebrick, bald in Düsseldorf sein Unwesen treiben darf. Hoffentlich bleibt er da sehr schnell übrig.

Einen hohen Preis für die bevorstehenden Landtagswahlen zahlen wir Bürger jedoch täglich. Wer in diesen Tagen notgedrungen über die B7 fährt, wünscht sich zur Beseitigung der unzähligen Wahlplakate nichts sehnlicher als Kyrill zurück. Um den Anblick psychisch unbeschadet zu überstehen, muss man schon ein hart gesottener Geisterbahntourist sein. So kann ein Stau zum Horrorszenario führen, wenn man notgedrungen mehrere Minuten lang mit dem Konterfei des liberalen FDP-Vizechefs Andreas Pinkwart konfrontiert wird. Der hat nämlich, wie seine Parteikollegen, den gleichen Grinse-Workshop besucht.

Doch der Wahnsinn nimmt kein Ende, schaut man an der nächsten Ampel in das verkniffene Antlitz des CDU-Kandidaten Reiner Spiecker. Der Mann schaut dermaßen gequält aus der Standard-Kollektion, als habe er wegen der Aschewolken mehrere Wochen in einem Armenviertel in Bukarest festgesessen. Über den grammatikalischen Fauxpas der Grünen hinsichtlich der "Banken", die es statt Bänken zu unterstützen gilt, habe ich dagegen so herzhaft gelacht, dass ich beinahe die Lehrerin Gunhild Böth überfahren hätte.

Peter Brakelmann wiederum lachte beim Fototermin so hemmungslos, als hätte man ihm gerade die Präambel des Grundgesetzes erklärt. Vielleicht freut er sich aber auch nur, dass er im Falle eines Wahlsieges ohne den Kollegen Ellinghaus nach Düsseldorf fahren darf. Dietmar Bell und seine sozialdemokratischen Musketiere sehen dagegen nicht gerade begeistert aus. Sie wissen, dass sie demnächst wahrscheinlich nichts in Düsseldorf für Wuppertal tun dürfen.

Doch die Frage sei erlaubt, wer diese Plakatschlacht eigentlich bezahlt. In einer notorisch klammen Stadt wie Wuppertal erfüllt das Verhalten aller Parteien und Kandidaten der von Westerwelle prognostizierten spätrömischen Dekadenz. Nur dass wir Wuppertaler nicht täglich in der Milch von 500 Eseln baden, Ehrenwort.

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