Im Pfandhaus lockt das schnelle Geld

Der typische Kunde ist nicht ganz arm und nicht ganz reich. Dazwischen tauchen alle Schichten auf.

Wuppertal. Heutzutage ist so eine Szene unvorstellbar: Da kommt jemand mit einem Stapel gebrauchter Bettwäsche unter dem Arm in ein Geschäft, der Mitarbeiter wirft einen kritischen Blick darauf und überreicht dem Kunden anschließend eine ordentliche Summe Bargeld. "Gerade nach dem Krieg wurden in Pfandleihhäusern oft auch Schuhe, gute Anzüge und natürlich Bettwäsche beliehen", erklärt Jochen Brauers, Geschäftsführer des Pfandleihhauses Brocker in Barmen.

Diese Zeiten sind mittlerweile längst vorbei. Heute dreht sich bei Brocker fast alles um Schmuck, Uhren, Diamanten und Beträge bis in den sechsstelligen Bereich. Den wichtigsten Job im Pfandleihhaus haben dabei diejenigen Mitarbeiter, die die Wertigkeit der Güter einschätzen. Damit sie keine Fehler machen, lagern in den Schränken hinter dem Verkaufstresen hunderte alte und neue Kataloge sämtlicher namhafter Hersteller - wo Preise schnell und unkompliziert nachgeguckt werden können. Zusätzlich stehen ihnen ein elektronisches Prüfgerät für Diamanten und verschiedene so genannte Probiersäuren für Gold zur Verfügung, mit denen sie die Goldanteile des Schmuckes bestimmen können.

Beliehen werden bei Brocker neben Schmuck und Uhren zum Beispiel auch Fernseher, Porzellan, Kameras und Instrumente. "Theoretisch beleihen wir alles, was für die Allgemeinheit einen Wert darstellt", sagt Breuers. Die Anfrage, ein komplettes Segelboot zu beleihen, musste er allerdings ablehnen. Das Problem: Alle beliehenen Sachen müssen auch irgendwo eingelagert werden.

Aber wie sieht er denn eigentlich aus, der typische Pfandleihhaus-Kunde? Jochen Brauers lacht. "Ich kann Ihnen sagen, wer nicht zu uns kommt: die ganz Armen, weil sie nichts haben, und die ganz Reichen, weil sie uns nicht brauchen."

Dazwischen allerdings zählt Brauers alle gesellschaftlichen Schichten zu seinen Kunden. Denn eines hat der 46-Jährige nach 20 Jahren Berufserfahrung gelernt. "Finanzielle Engpässe können immer auftreten."

Das hat auch Sabine Peters (Name von der Redaktion geändert) festgestellt. Sie ist bereits zum zweiten Mal im Pfandleihhaus und überreicht der Mitarbeiterin an diesem Tag eine Spielekonsole zusammen mit drei Spielen. 65 Euro bekommt sie dafür. "Ich bin vor kurzem umgezogen und musste für das Umzugsunternehmen leider tiefer als geplant in die Tasche greifen", erklärt die junge Frau. Ihren Dispokredit auf dem Konto hat sie bereits voll ausgeschöpft. Nun schätzt sie das schnelle Geld, das sie im Pfandleihhaus bekommt. Spätestens nächsten Monat, das hat sie sich fest vorgenommen, will sie die Konsole wieder auslösen.

Rund 90 Prozent aller Kunden halten sich an dieses Vorhaben, weiß Brauers. Doch nicht immer gehen sie mit einer finanziell schwierigen Situation so locker um wie Sabine Peters. "Für viele bricht in so einem Moment eine ganze Welt zusammen", erklärt Brauers. "Oft kommt es dann auch vor, dass wir versuchen, mit ihnen zu reden und sie zu trösten." Manchmal ist man als Pfandleiher eben auch ein bisschen ein Psychologe. nd das ganz unabhängig vom Auf und Ab der Weltkonjunktur: "Von der aktuellen Finanzkrise haben wir bislang gar nichts gemerkt."

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