Im Herzen von Absurdistal

Tiefsinniger Unsinn sorgte für Begeisterung in den vollbesetzten Elba-Hallen. Freitag folgt das große Finale.

Er ist „der liebe Jott“ und hatte als solcher natürlich vorrangiges Rederecht. David J. Becher nutzte am Mittwoch in den Elba-Hallen die Gunst der Stunde und erklärte, dies sei das erste Mal im Tal. Gemeint war das dreitägige Wuppertaler Festival „Absurdistal“, das Becher mit gebührend skurrilen Worten eröffnete, um dann die Bühne den Autoren von der „Wortwache“ zu überlassen.

Einer von ihnen hatte die Pfeiler der Halle schon mal mit Auszügen aus seinem Lebenswerk beklebt. Er heißt Uwe Becker und ist Leitfigur aller Italien-Fans, die jedem schiefen Turm ein schräges Verslein vorziehen. Wer die vielen Jahrgänge des konsequent dünnen Magazins „Italien“ studiert hat, ist schon lange dicht bei der Frage, wann der Verleger und Autor Becker eigentlich arbeitet. Denn die paar Seiten zweifellos guter Satire können kaum den ganzen Mann fordern.

Beckers Lesung mit Kurztexten überzeugte freilich davon, dass dieser Uwe längst was Ordentliches verdient hätte, vielleicht eine eigene Fernsehshow mit Nummerngirls, wenn er sich nur zur Vollzeit durchringen könnte. Allerdings bedurfte sein knackig präsentierter Text vom Arschgeweih im Leichenschauhaus keineswegs einer Streckung. So war es gut, wie es war, aalten sich die Gäste im gut gefüllten Saal wie Gott in Frankreich.

Gastgeber Jörg Degenkolb-Degerli hätte sich getrost auf den abgedrehten Vorträgen seiner Kollegen ausruhen können, ohne ein enttäuschtes Publikum zu hinterlassen. Indessen ließ er sich nicht lumpen und entwickelte gewandt seine Antwort auf die Frage, warum Gerard Depardieu kaum anders kann, als dem Harndrang im Flugzeug freie Bahn zu verschaffen und so für einen verspäteten Start der Maschine zu sorgen.

Wenn so viel Gutes wird beschert, fällt es schwer, einen Meister zu benennen. Bei Jörg Isringhaus hatte man freilich seine liebe Not, sich nicht vor Lachen abzurollen. In der ersten Halbzeit gönnte er dem Publikum skurrile Einblicke in mögliche Tarifstrukturen der Deutschen Bahn, um im zweiten Teil Maß zu nehmen für ein Trainingslager von Selbstmordattentätern. Da stellt ein Jussuf mit angeklebtem Bart als eingeschleuster Konterrevolutionär naheliegende, aber doch ziemlich bescheuerte Fragen nach dem Lohn im Attentäter-Jenseits. 70 Jungfrauen sollen es sein. Ob die nicht schon verbraucht sind, wenn die Hälfte der Ewigkeit vorbei ist?

Eine Stunde Überziehung gewährte sich die „Wortwache“, dann beschloss ein Hörspiel den Abend. Geboten wurde Eugen Egners „Beseitigung“, ein vollends abstruses Werk, in dem sich Wuppertal in eine Art Bielefeld verwandelt: die Stadt, die es plötzlich nicht mehr gibt.

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