Sinfonieorchester „Ich möchte jeden Moment meiner letzten Saison genießen“

Generalmusikdirektorin Julia Jones resümiert das plötzliche Ende der Spielzeit und schaut auf die nächste.

 Julia Jones hat „im laufenden Betrieb plötzlich den Stecker ziehen müssen.“

Julia Jones hat „im laufenden Betrieb plötzlich den Stecker ziehen müssen.“

Foto: Daniel Haeker /Sinfonieorchester Wuppertal/Daniel Haeker

Auch das Sinfonieorchester Wuppertal muss die Spielzeit ohne greifbares Publikum beenden. Wenngleich es im virtuellen Raum seither aktiv ist. Im Gespräch mit der WZ erzählt Generalmusikdirektorin Julia Jones, wie es ohne analoge musikalische Begegnungen weitergeht, was sie über die Rückkehr in die Historische Stadthalle denkt und wie sie in ihre letzte Spielzeit in Wuppertal startet.

Die Coronakrise hat das Leben in rasantem Tempo verändert. Wie geht es Ihnen persönlich?

Julia Jones: Gesundheitlich geht es mir gut, aber die Wochen werden zu Monaten und wir wissen nicht, wann wir wieder als Orchester spielen und auftreten können. Es ist ein bizarres, ungewöhnliches und zugleich unangenehmes Gefühl.

Was haben Sie nach der Stilllegung des analogen Orchesterbetriebs unternommen? Wie kam es zu den umfangreichen Aktivitäten des Sinfonieorchesters im Netz?

Julia Jones: Wir haben schnell lernen müssen, mit Videokonferenzen umzugehen, da es viel zu organisieren gab. Vor allem müssen wir damit umgehen, dass uns niemand sagen kann, was noch passieren wird. Das ist für uns sehr anstrengend, weil wir als Musiker immer ein Ziel vor Auge haben – ein Konzert, eine Opernaufführung. Die Musiker des Sinfonieorchesters Wuppertal sind wie immer sehr kreativ und entwickeln ständig neue Ideen, wie sie trotz Corona musikalischen Hörgenuss zu den Menschen bringen können.

Welche Folgen hatte das abrupte Spielzeitende? Welche Konzerte/Aktivitäten mussten gecancelt werden?

Julia Jones: Wir waren kurz vor der Hauptprobe zum 7. Sinfoniekonzert und hatte gerade das Violinkonzert von Beethoven zu Ende geprobt mit unserem ersten Konzertmeister Yusuke Hayashi als Solisten. Die Konzertabsage war sehr bitter. Das Requiem von Johannes Brahms musste abgesagt werden und auch die Tournee nach Lissabon mit Artur Pizarro sowie der Beethoven Marathon mit ihm in der Historischen Stadthalle. Für mich persönlich sind alle musikalische Begegnungen, die nicht stattfinden können, ein großer Verlust. Das Verschieben von Konzerten ist so gut wie unmöglich. Nichtsdestotrotz habe ich die Hoffnung, das eine oder das andere Projekt zu „retten“ – wenn es irgendwie geht.

Welches war der schönste Moment der Spielzeit 19/20, welches der schlimmste?

Julia Jones: Für mich waren die schönsten Momente die Premiere von „La Bohème“ sowie das 4. Sinfoniekonzert mit Kerson Leong und dem Violinkonzert von Benjamin Britten. Auch das Neujahrskonzert war ein unglaublich schönes Ereignis. Schlimm war das plötzliche Ende unseres gewohnten Lebens durch die Corona-Pandemie. Die damit einhergehende Unsicherheit, das Unbekannte und die damit verbundene Angst.

Wenn Sie die Spielzeit 2019/20 resümieren sollten, was würden Sie sagen?

Julia Jones: Man hat im laufenden Spielbetrieb plötzlich den Stecker ziehen müssen.

Werden Sie – wie vorgesehen – zum September starten? Und wenn ja, unter welchen Bedingungen wird das passieren?

Julia Jones: Wir wollen so bald wie möglich wieder spielen, ob das im September schon gelingt und unter welchen Bedingungen, kann niemand prognostizieren. Die Bedingungen für eine sichere „Zusammenarbeit“ ändern sich wöchentlich. Die Hygienekonzepte müssen sowohl für unser Publikum als auch für uns Anwendung finden. Unsere verschiedenen Formate wie Sinfoniekonzerte, Uptown Classics oder auch Schulkonzerte stellen unterschiedlichste Bedingungen an das Hygienekonzept. Wir haben es mit einem ernstzunehmenden Virus zu tun. Die Gesundheit steht für uns an erster Stelle. Da ist kein Spaß erlaubt!

Finden bis auf weiteres große Konzerte wie die Sinfoniekonzerte in der Stadthalle nicht statt?

Julia Jones: Zurzeit dürfen keine größeren Konzerte stattfinden. Wir möchten aber, sobald wir können, in die Historische Stadthalle, auch wenn wir in kleineren Besetzungen spielen und neue Wege finden müssen, um unser Repertoire zu spielen. Wir müssen flexibel sein und das sind wir.

Ende 2019 haben Sie entschieden, nach der Spielzeit 20/21 Wuppertal zu verlassen – wie geht es Ihnen Stand heute mit diesem Entschluss? Nehmen Sie bereits langsam Abschied und schmieden vielleicht schon Pläne für die Zeit danach?

Julia Jones: Ich habe für die kommende Spielzeit viel zu viel vor, um jetzt schon an den Abschied zu denken. Ich möchte jeden Moment meiner letzten Saison genießen. Ich habe die Stadt und die Menschen hier lieben gelernt – ihr Interesse und ihre Neugierde für die Musik, ihre Offenheit und Entdeckungsfreude, und sogar ihren Humor... als Engländerin.

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