Kirche in Wuppertal „Glaube kann als Ressource dienen, weiterzumachen“

Interview Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut über Transformation und Hoffnung.

 Uwe Schneidewind ist Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts.

Uwe Schneidewind ist Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts.

Foto: Fischer, A. (f22)/Fischer, Andreas (f22)

Das Schwerpunktthema der Synode lautet „Glaube, Hoffnung, Liebe – Energie für den Wandel.“ Sie sind Gast bei der Synode. Wuppertal Institut und Kirchenkreis – wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?

Prof. Dr. Uwe Schneidewind: In der Transformationsarbeit begegnen wir häufig einem sehr reduzierten Hoffnungsbegriff, der sich auf rein prognostische Vorhersagen reduziert. Für uns ist es aber wichtig, an einem aufgeklärten theologischen Hoffnungsbegriff teilzuhaben. Und das vor dem Hintergrund des Wissens und einer damit verbundenen Demut, dass die Veränderungsprozesse nur bedingt in unserer Hand liegen. Zehn Milliarden Menschen sollen im 21. Jahrhundert eine Chance auf ein würdevolles Leben haben. Das lohnt allen Einsatz. Der Nachhaltigkeitsgedanke hat ganz viel zu tun mit Hoffnung auf ein würdevolles Leben. Und der theologische Zugang hilft dabei, den Transformationsgedanken besser zu verstehen.

Und darum ist es für das Wuppertal Institut wertvoll, sich mit Kirche auseinanderzusetzen…

Schneidewind: Ja. Die moralische Dimension bereichert unsere Transformationsgedanken. Innerhalb des Veränderungsprozesses kann Kirche mit ihrem klaren und gut begründeten Wertekompass eine wichtige Ergänzung sein.

Kann Glaube denn ein Motor für Veränderung und Wandel sein?

Schneidewind: Im letzten Kapitel unseres Buches „Die Große Transformation“ werden die drei Komponenten Wissen, Fähigkeiten und Haltung als zentrale Bestandteile des Veränderungsprozesses genannt. Die Haltung gibt dabei den Kompass für den Wandlungsprozess vor. Glaube und Gottvertrauen helfen innerhalb des Transformationsprozesses ungemein. Sie geben eine stabilisierende Orientierung vor. Gerade wenn es in schweren Zeiten nur stockend vorangeht, kann der Glaube als Ressource dienen, dennoch weiterzumachen.

In Ihrem Buch „Die Große Transformation“ zeigen Sie auf, dass die Klimafrage nur durch radikale Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft abgewendet werden kann. Wo sehen Sie dabei die Kirchen in der Pflicht?

Schneidewind: Kirchen sind als „Mahner“, „Mittler“ und „Motor“ für gesellschaftliche Transformationsprozesse von großer Bedeutung – ein Motiv, das auch die Evangelische Kirche in Deutschland in ihrem Impuls-Papier „Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben“ stark macht (https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/ekd_texte_130_2018.pdf). Idealerweise spielen die drei Rollen in einer Einheit eng zusammen.

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Schneidewind: Teilweise ist die Frage des Klimawandels sehr emotional aufgeladen und es treffen ganz unterschiedliche Gruppen mit ihren Interessen kontrovers aufeinander. Beispielsweise beim Tempolimit und der Frage der Tierethik. Da kann die Kirche Brücken bauen und eine Art Plattform für Diskussionen liefern. Vorreiter können die einzelnen Gemeinden zum Beispiel sein, wenn sie auf regenerative Energie setzen. Oder in Sachen Mobilität, wenn ein ganzes diakonisches Werk auf E-Mobilität umsteigt. Auch bezogen auf die Lebensmittelbeschaffung kann die Kirche als Vorbild dienen, indem sie sich zu regionaler und ökologischer Ernährung bekennt.

Was können die Gemeinden und jeder einzelne von uns konkret zur eingeforderten Transformation der Städte beitragen?

Schneidewind: Ich halte einen hoffnungsfrohen Aufbruch für wichtig. Eine einzelne Gemeinde kann nicht die gesamte Welt retten, aber mit ersten kleinen Schritten einen wichtigen Anfang leisten. Ob in der Energiefrage oder bei der Mobilität – jeder einzelne kann sich auf den Weg machen – Stück für Stück und im Austausch mit den anderen. Da kann auch das Referat „Nachhaltige Entwicklung“ der EKD in Hannover beraten. Es tut gut zu erfahren, welche Bereiche sich schon bewegen und wo erste Erfolge zu verzeichnen sind.

Sind Sie hoffnungsvoll, dass der Wandel gelingen kann?

Schneidewind: Aus christlicher Perspektive bin ich immer hoffnungsvoll. Das ist ja das Schöne: Die Demut und Dankbarkeit, dass wir so privilegiert sind, dass wir einen Beitrag für die Veränderung der Welt leisten können. Aus nüchtern-wissenschaftlicher Sicht sage ich, dass massive gesellschaftliche Veränderungen nie linear verlaufen, sondern immer eine lange Vorlaufzeit brauchen. Niemand von uns hätte Weihnachten 2010 gedacht, dass wir uns sechs Monate später komplett aus der Atomkraft verabschieden. Genauso hätte vor 1989 nie jemand damit gerechnet, dass kurz darauf die Mauer fallen würde. Das sind Beispiele dafür, dass ein Prozess wachsen muss. Das aktuelle Ergebnis der Europawahl bringt vielleicht eine neue Dynamik in den Veränderungsprozess. Ich glaube, dass technologisch wie auch gesellschaftlich bereits vieles vorbereitet ist. So dass die Zeit reif sein könnte. Es fehlt nur noch ein letzter Ruck. Aus diesem Grund bin ich da durchaus hoffnungsfroh.

Was ist Ihr persönlicher Motor für den Wandel?

Schneidewind: Das Wuppertal Institut ist ein kraftvoller Ort. Ich empfinde eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass wir als Think Tank Impulse für den Wandel geben und diesen mitgestalten können. (Anm.: Beim „Global Go To Think Tank-Ranking 2018“ der University of Pennsylvania hat das Wuppertal Institut zum zweiten Mal einen Top-Ten-Platz erreicht. In dem globalen Ranking von Denkfabriken belegt das Institut Platz 9 in der Kategorie Umweltpolitik. Damit zählt es zu den renommiertesten Forschungs- und Beratungsinstituten weltweit.) Ich persönlich bin in das Nachhaltigkeitsthema eher reingerutscht. Mir ging und geht es immer darum, dem Menschen zugewandt zu sein. Und mich fasziniert die Aussicht auf einen würdevollen Planeten für alle. Und die Aussicht darauf, ein Teil des großen Ganzen zu sein. Das ist für mich das kraftgebende Moment.

Was tun Sie persönlich für den Klimawandel?

Schneidewind: Das, was jeder einzelne von uns tun kann (lacht). Ich komme im Wesentlichen ohne Auto aus und bin zu Fuß und mit dem Rad unterwegs. Ich meide Fernflüge und benutze für weitere Strecken den Zug. Viel schwerer fällt es mir, mich vegetarisch zu ernähren. Das ist nicht immer leicht, weil man an bestimmten Ernährungsgewohnheiten hängt.

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