Gesucht: Mädchen in Männerberufen

Der Aktionstag „Girls’ Day“ bietet Einblicke in Männerdomänen. Viele Betriebe in Wuppertal machen mit.

Wuppertal. "Ich hätte so gerne, dass junge Frauen in den Beruf reinkommen." Rüdiger Marquardt ist ratlos. Der 65-jährige Obermeister der Wuppertaler Elektroinnung hat in all seinen Jahren als Betriebsinhaber noch nie die Bewerbung einer Frau auf eine Ausbildungsstelle erlebt. Deswegen öffnet auch Marquardt heute seinen Betrieb beim bundesweiten "Girls’ Day" für ein junges Mädchen, das Interesse am Beruf der Elektroinstallateurin hat. Sie wird einen seiner sieben Mitarbeiter im Kundendienst begleiten.

Der Aktionstag auf Initiative der Bundesregierung will Mädchen und Frauen für Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten in den Bereichen Technik, Naturwissenschaften, IT und Handwerk begeistern. Der Bedarf ist da, wie auch die Zahlen der für Wuppertal zuständigen Handwerkskammer Düsseldorf bestätigen: Von den 1740 Wuppertaler Handwerkslehrlingen waren im vergangenen Jahr nur 202 weiblich. 136 von ihnen folgten dabei der frauentypischen Ausbildung zur Friseurin. Unter 221 Lehrlingen zum KfZ-Mechatroniker waren nur drei Frauen. Im Bereich Sanitär- und Heizungsinstallation gab es überhaupt keine Auszubildende, aber 127 Männer. Dabei ist in typischen Frauenberufen wie Einzelhandels- und Bürokauffrau der Verdienst oftmals schlechter als im Handwerk.

"Bei den Mädchen und Unternehmen müssen gedankliche Barrieren überwunden werden" sagt daher Birgit Krüger (45), ehrenamtliche Schirmherrin des Wuppertaler Girls’ Day. Bei den jungen Frauen sieht sie Angst vor starker körperlicher Belastung und geringes Technikinteresse, bei den Betrieben Skepsis über die Leistungsfähigkeit von Bewerberinnen. Der Glaserbetrieb von Krügers Ehemann und Kreishandwerksmeisters Arnd Krüger hat trotz Interesses ebenfalls noch keine Bewerbung einer Frau erhalten. Sogar der angebotene Girls’ Day Schnupperplatz war gestern noch frei.

Laut Marquardt sind am Handwerk interessierte Frauen meist Töchter von Handwerkern. Viele von ihnen würden den Betrieben zudem von der Industrie "weggeschnappt". Dort fühlten sich viele Frauen besser aufgehoben. Dabei sei die Arbeit in Handwerksbetrieben durchaus so einteilbar, dass Frauen keine schweren körperlichen Arbeiten ausführen müssen. Für weibliche Elektroinstallateure sei so der Einbau von Ruf-, Sprech- und Solaranlagen gut durchführbar.

Marquardts Frau Brigitte (59) etwa hat vor fast 30 Jahren ohne handwerkliche Ausbildung auch auf den Baustellen mitangepackt, als der Betrieb von beiden gemeinsam aufgebaut wurde. Sie betont: "Im Handwerk werden Chancen geboten."

49 Wuppertaler Unternehmen und Institutionen bieten heute 370 Schnupperplätze an.

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