Gekippter Automat: Vater des toten Jungen im Zeugenstand

Vor mehr als drei Jahren fiel in der Turnhalle am Hesselnberg ein 180-Kilo-Gerät auf ein Kleinkind. Seit Donnerstag soll vor dem Amtsgericht die Schuldfrage geklärt werden.

Wuppertal. Den Tod des eigenen Kindes können Eltern nicht verwinden. Das war am Donnerstag einmal mehr sichtbar. Vor dem Schöffengericht begann die juristische Aufarbeitung eines Unglücks, das sich am 25. Oktober 2008 im Vorraum der Turnhalle am Hesselnberg ereignete. Wie berichtet, kippte damals ein mehr als 180 Kilo schwerer Süßwarenautomaten auf einen eineinhalb Jahre alten Jungen. Das Kind starb — vor den Augen des Vaters.

Zwei Betreiber (38,74) einer Firma, die Automaten aufstellt beziehungsweise betreibt, müssen sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Laut Anklage sind sie ihrer Sorgfaltspflicht bezüglich der Standfestigkeit des Geräts am Hesselnberg nicht nachgekommen. Am Donnerstag musste sich der Vater des Jungen — er und seine Ehefrau treten als Nebenkläger im Prozess auf — an den Unglückstag erinnern. Der Vater hatte an jenem Samstag mit seinem Sohn das Kinderturnen in der Halle besucht. Danach saßen die beiden noch auf der Tribüne, schauten kurz beim Hockeytraining zu. Dann gingen sie zusammen in den Vorraum.

Dort standen zwei Automaten: einer für Getränke und der Süßwarenautomat. Der Junge habe in das Ausgabefach des Getränkeautomaten gegriffen, erinnerte sich der Vater am Donnerstag. Er habe ihm das verboten, weil das unhygienisch sei. In dem Vorraum habe man sich eigentlich nur etwas länger aufgehalten, weil der Vater einen Aushang lesen wollte. Auf dem Weg zur Tür sei sein Sohn unmittelbar hinter ihm gewesen, erinnerte sich der Wuppertaler.

Dann ein Knall. „Ich habe mich umgedreht, den umgekippten Süßwarenautomaten auf dem Boden, aber meinen Sohn nicht gesehen“, sagte der Vater am Donnerstag als Zeuge vor Gericht. Danach verschwimmt die Erinnerung. Er habe laut und immer wieder um Hilfe geschrien und versucht, den schweren Automaten anzuheben, unter dem sein Sohn lag. Danach sei er zusammengebrochen. Die Zeugenaussage des Vaters dauerte keine zehn Minuten. Die Zeit reicht, um die menschliche Tragweite des Unglücks wenigstens zu erahnen. Die Verteidiger — Michael Kaps und Norbert Monßen — stellten dazu keine Nachfragen. Rechtsanwalt Monßen sagte: „Das ist das Schlimmste, was passieren kann. Menschlich bedauern wir das.“

Doch die strafrechtliche Beurteilung muss sein. Und schon am Donnerstag deutete sich an, dass die Staatsanwaltschaft ihre Gründe hatte, als sie in den vergangenen drei Jahren zwei Mal die Ermittlungen einstellen wollte — ohne Anklage. Der jüngere der Automatenbetreiber sagte am Donnerstag aus. Demnach hat er im Mai vor dem Unglück vom Älteren den Automatenbestand — an die 40 Geräte — übernommen. Alle Automaten seien von ihm in Augenschein genommen worden. Bei jenem am Hesselnberg habe ihm sein Vorgänger auf die Besonderheit der Befestigung hingewiesen. Das Gerät sei nicht in der rückwärtigen Gipswand zu verschrauben gewesen. Deshalb sei es am Boden verkeilt und unter anderem mit einem Stahlseil an einem Haken in der Decke gesichert worden.

Und: Er sei regelmäßig zum Befüllen des Geräts vor Ort gewesen. Am Automaten sei nichts Auffälliges zu erkennen gewesen. Das Gerät habe sicher gestanden. Es habe auch keine Hinweise an ihn wegen irgendeiner Gefährdung gegeben. Ein unfassbares und wohl unerklärliches Unglück. Am Donnerstag ging der Vater immer wieder nach vorne an den Richtertisch und schaute sich dort mit den Prozessbeteiligten die Fotos vom Unglücksort an. Die Mutter des Jungen blieb sitzen und weinte.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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