Gefährlicher Nationalismus

Europas Puls schlägt noch unregelmäßig. Ihn zu stärken hat Harald Schwab sich auf die Fahne geschrieben. Morgen wirbt er mit seinen Freunden in Barmen für die EU.

Gefährlicher Nationalismus
Foto: Andreas Fischer

Die Lage ist ernst. Der Patient ist komatös. Fast hat es den Eindruck, als lebe er nur noch, weil die Chefärzte Merkel und Macron die medizinischen Geräte noch nicht abschalten ließen. Und als schon kein Licht mehr am Ende des Tunnels war, hat Italien den nächsten Schlaganfall verursacht. Europa liegt im Sterben. Aber sein Puls schlägt noch.

Das liegt nicht zuletzt an Leuten wie Harald Schwab. Er ist Gründer, Herz und Motor der Wuppertaler Gruppe Pulse of Europe. „Ich finde spannend, welche unterschiedlichen Menschen diese Bewegung zusammenbringt. Da sind Ältere und Junge, eher Konservative und Punker. Alle möglichen Leute eben.“

Am Samstag (14 bis 15 Uhr) sind die Mitglieder im und am Rathaus in Barmen, um für die Europäische Union zu werben, für Freundschaft zwischen Nationalstaaten, die sich vor wenigen Jahrzehnten noch bis aufs Blut bekämpft haben. Heute scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein, dass das wieder geschieht.

Harald Schwab ist ein politischer Mensch. In Oberhausen, wo er bis vor drei Jahren lebte, hatte er über viele Jahre den Vorsitz des Christlichen Vereins junger Menschen (CVJM) inne. Auch in die Kommunalpolitik mischte Schwab sich ein. Die Gespräche mit seinem Vater, einem traditionellen SPD-Sympathisanten, lehrten ihn zuletzt wieder, woran unter anderem die Politik in Europa und Deutschland krankt. „Als bei der SPD die Pöstchenschieberei losging, sagte er, mit dieser Partei sei er fertig. Und das bei einem Mann, der sein Leben lang nichts anderes gewählt hat.“ Die Schwäche demokratischer Kräfte schafft Raum für andere.

Harald Schwab

Nationalisten sind auf dem Vormarsch. In Frankreich steht der Front National nach einem 35 Jahre dauernden Marsch, angetrieben von Hass und Rassismus, vor den Toren des Elysee-Palastes. In Großbritannien bereitet die Premierministerin Theresa May mehr oder weniger ehrlich den Austritt ihres Landes aus dem Bündnis vor. In Polen und Ungarn scheinen autokratische Führer bereits vergessen zu haben, was Unfreiheit und ideologische Drangsal bedeuten. In den Niederlanden ist ein Populist wie Geert Wilders bei den vergangenen Wahlen nur ganz knapp entzaubert worden, aber immerhin das. In Österreich hingegen regieren die ausländerfeindlichen, nationalistischen Rechtspopulisten sogar mit.

Und nun steht Europa auch in Italien offenbar auf der Kippe. „Irgendwie ist es nicht zu verstehen, dass sich die Krankheit nach und nach über ganz Europa ausbreitet“, sagt Schwab und fühlt sich an ein Sprichwort erinnert. „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“ Für Italien habe er noch ein bisschen Hoffnung, sagt Schwab. „Die schimpfen auf alles, aber am Ende sind sie alle wieder Italiener.“

Selbstverständlich gebe es auch Gründe, die Europäische Union zu kritisieren, sagt der Sozialarbeiter. „Aber der weit überwiegenden Mehrheit in Deutschland geht es objektiv doch saugut. Nationalismus gefährdet das.“

Als die Frankfurter Rechtsanwälte Sabine und Daniel Röder vor gut anderthalb Jahren den Pulse of Europe gründeten, tauchte im Straßenbild plötzlich die Flagge mit den Sternen auf blauem Grund auf. Endlich setzte sich eine Bewegung für ein vereintes, einiges, friedliches Europa in Bewegung. Endlich setzten Bürger den Nationalisten und Populisten etwas entgegen. Davon fühlte sich auch Schwab motiviert.

Zur ersten Versammlung auf dem Laurentiusplatz kamen im vergangenen Jahr fast 300 Bürger zusammen. Europa ist auch in Wuppertal nicht allein. Aber es braucht Hilfe.

Vor Wochenfrist hat eine Delegation von Grünen-Politikern aus der Partnerstadt St. Etienne Wuppertal besucht. Es verstand sich von selbst, dass auch Harald Schwab mit seiner Frau dabei war. Was sie von den Freunden aus Frankreich hören mussten, war wenig ermutigend. Die Populisten und Nationalisten bestimmen mittlerweile auch bei den seriösen konservativen Parteien das Vokabular. Parallelen zu Deutschland sind unüberhörbar, auch wenn die in Teilen rassistische AfD in Deutschland und erst recht in Wuppertal noch keine so große Bedeutung hat wie der Front National in Frankreich.

Für Harald Schwab und seine Mitstreiter sind die antieuropäischen Signale aber schon lange deutlich genug. Deshalb werden sie weiter kämpfen. Sie wissen, dass die Alternative zu Vereinigten Staaten von Europa Nationalstaaten in Europa ist. Diese Nationalstaaterei hat den Kontinent und die Welt bereits in zwei verheerende Kriege geführt.

Die nächsten Nagelproben stehen bevor. Im April wählt Ungarn ein neues Parlament. Und im Mai nächsten Jahres ist wieder Europawahl. Spätestens bis dahin sollten die Vorzeichen andere werden.

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