Buchprojekt Gedichte mit Handschuhen entdecken

Michael Zeller und Jorgo Schäfer stellten ihr gemeinsames Werk „Luft nur“ vor.

„Die Baumrinde ist da, so wie Übelkeit da ist. Man muss sie entdecken und transformieren“, sagte Jorgo Schäfer bei der Vorstellung des Buches über die Gemeinsamkeit von äußerer Wirklichkeit und Alltäglichem.

„Die Baumrinde ist da, so wie Übelkeit da ist. Man muss sie entdecken und transformieren“, sagte Jorgo Schäfer bei der Vorstellung des Buches über die Gemeinsamkeit von äußerer Wirklichkeit und Alltäglichem.

Foto: Fries, Stefan (fri)

In edlem Rahmen kam ein Gemeinschaftswerk mit Musik und Wort zur Vorstellung: Zelebriert wurde das Buch „Luft nur“, ein Gemeinschaftsprojekt des Schriftstellers Michael Zeller und des Malers und Grafikers Jorgo Schäfer. Würdig begleitet durch Carlos Diaz an der Gitarre, verhandelte der Abend dabei auch große Prozesse: vom Leben zur Kunst und von Sprache zur Physis.

Wie Schäfer zur Einleitung sagte, hatte er einst eine „grafische Affinität“ zu Texten Zellers entdeckt, und es kam zur Zusammenarbeit: Zu vier Büchern des Wuppertaler Literaten gestaltete er seither den Einband, zuletzt den Titel „Die türkische Freundin“. Diese Vorgeschichte mündete ins heutige Projekt von freilich größerem Aufwand: Sieben Gedichte präsentierte der gelernte Schriftsetzer per Hand in ausgesuchter Schriftart, gestaltete zudem acht Holzschnitte, ergänzt durch ein Großformat. Der Aufwand war dann haptisch fassbar – zwar nicht ganz hautnah, aber umso respektabler: Das ausliegende Buch war nur mit Schutzhandschuhen zu durchblättern.

Vom Leben zur Kunst, vom leben zur Lyrik

Wie Leben zu Kunst werden kann, erklärte „Jorgo“ als bildender Künstler, der naturgemäß auch Praktisch-Materielles im Blick hat. Äußere Wirklichkeit in der Natur verglich er mit Inhalten des Alltags: „Die Baumrinde ist da, so wie Übelkeit da ist. Man muss sie entdecken und transformieren.“ Umsetzung und Material hatten bei „Luft nur“ dann ihren Preis: Auf Büttenpapier gedruckt waren die visuellen Interpretationen für 480 Euro zu erstehen, Auflage: maximal fünfzehn Stück.

So gab das Projekt auch ein Beispiel für Wert in seiner monetären Seite. Michael Zeller ließ indes erkennen, dass die neue Form seiner Texte ihm eine Steigerung eigener Art bedeutete: „Ich fühle mich als der Beschenkte. Die Gedichte sind für mich sehr viel wertvoller geworden.“ Nicht ohne Erstaunen im Publikum bekannte er offen, er komme vom „Billigbuchsektor“, und auch damit mochte diese Wirkung sich erklären – beim Weg hin zum Hochpreisigen, überhaupt Physischen.

Basis all dessen, so schien es, war indes eine weitere Wandlung, nämlich vom Leben zur Lyrik. Zeller, sonst auch Romanautor, macht als Dichter gern Alltägliches zum Ausgangspunkt, oft unterwegs; beim Vortrag seines Gedichts „Das große Los“ nun wurde dieser Ansatz selbst zum Thema: „(…) empfand ich’s an der Zeit ein Zeichen hinzusetzen / und noch im Stehen umgehend / dich hier: GEDICHT! / zu bannen (…)“. Was so Wort geworden war, mochte man sagen, wurde bei Schäfer zum Bild.

Die Resultate waren dann respektvoll zu goutieren, noch während Carlos Diaz‘ Gitarrenspiel erklang – spanische Töne, entspannt und doch einnehmend. Neben einem Buchexemplar hingen auch zwei Werke mit einem Gedicht gerahmt aus. Abstrakte Formen, in Blau gehalten, entfalteten eigene Wirkung neben dem Text. Der Bezug schien indirekt, der Aspekt, den Augenblick einzufangen, dabei erkennbar. Auch Besucherin Danielle Bouchet sprachen die Bilder als solche an, auch ihr Eindruck von den Gedichten geriet eher visuell als inhaltlich: „Vor dem Lesen sehe ich sie.“ Werthaltig sind Worte natürlich schon für sich – „Luft nur“ wie der ganze Abend machten das anders und auf sinnliche Art spürbar.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort