Gastbeitrag nach dem Anschlag: Wie soll Wuppertal reagieren?

Offener Brief von Ernst-Andreas Ziegler, Gründer der Junior Uni und Initiator der Städtepartnerschaft zu Beer Sheva in Israel.

Gastbeitrag nach dem Anschlag: Wie soll Wuppertal reagieren?
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Wuppertalfreunde in aller Welt — das belegen besorgte Anrufe aus Partnerstädten, den USA, Holland, Tschechien und anderswo — sind schockiert über Bilder und Berichte im Fernsehen und in Zeitungen über den Brandanschlag auf die Synagoge. Alle fragen: Bekommen bei Euch Rechts- oder Linksradikale, Nazis, fanatische Rassen- und Religionshasser jetzt Oberwasser?

In unserer Stadt, die wie wenig andere in Deutschland ihre Verstrickung in die Nazi-Vergangenheit transparent aufgearbeitet und daraus Lehren gezogen hat, kann und wird die Irrsinns-Tat dreier Wirrköpfe nicht das in Frage stellen, was über Jahrzehnte gewachsen und der übergroßen Mehrheit der Wuppertaler wichtig ist: der Respekt vor Andersdenkenden, Andersglaubenden und Andersaussehenden, dazu die Solidarität mit ihnen.

Viele Wuppertaler haben diesen Prozess in Gang gesetzt und aktiv daran gearbeitet. Neben den Stadtspitzen und Stadtverordneten, gleich welcher Parteizugehörigkeit beispielsweise der Freundeskreis Beer Sheva, die Gedenkstätte Alte Synagoge, der Freundeskreis Neue Synagoge, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die Evangelische und die Katholische Kirche, die Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz, die Vertreter der Muslime und mehrerer Moschee-Vereine, vor allem die Jüdische Kultusgemeinde selbst, die Zehntausende durch ihre Synagoge geführt hat. Auch die Polizei, die sie schützt.

Antisemitismus ist infam, war und ist in Wahrheit völlig unbegründet, ist eine Schande für jede Gesellschaft. Das galt schon immer, das galt längst vor Auschwitz und das gilt erst recht nach der Aufdeckung des unvorstellbaren Massenmordes an unschuldigen Juden (und den an den Sinti und Roma).

Die wieder aufgeblühte jüdische Gemeinde für das Bergische Land macht Wuppertal Ehre. Sie führt keinen Krieg in Gaza. Wer sie angreift oder gegen sie hetzt, ist ein Antisemit. In welcher Form sich dieser Antisemitismus auch in ein anderes Mäntelchen kleidet. Hören wir deshalb in diesen Tagen von schrecklicher Gewalt und Gegengewalt im Nahen Osten sehr genau hin. Dort ist jedes Opfer zu viel.

Fragen wir die Kritiker am militärpolitischen Vorgehen Israels oder an seiner fragwürdigen Siedlungspolitik wenigstens, ob sie das Existenzrecht Israels und seine Pflicht zum Schutz der Bürger gegen die Raketenangriffe der Hamas bejahen. Soll die Wuppertaler Stadtgesellschaft überhaupt Konsequenzen aus dem Handeln von drei unreifen Einzeltätern ziehen, die vor Gericht kommen, ihr Leben wohl weitgehend verpfuscht haben und bald vergessen sein werden? Antwort: Ja, aber mit Augenmaß und Zivilcourage.

Im Klartext: Nicht Schweigen, nicht Wegschauen bei Antisemiten und anderen Fanatikern. Leben die Wuppertaler gleich welchen Glaubens und gleich welcher Herkunft auch künftig ebenso eng, friedlich und tolerant zusammen wie bisher, haben Radikale und Fanatiker schlechte Karten. Das hat für alle, erst recht für Muslime, Sinn, denn es wird vermutlich verhindert, dass demnächst von anderen Extremisten Moscheen angegriffen werden. Wuppertal muss sich für die drei Brandbombenwerfer schämen, nicht aber seiner selbst.

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