Kirchenkolumne Fürsprecher für die Verlierer der Pandemie

Diakoniedirektor Dr. Martin Hamburger spricht in unserer Kirchenkolumne über Auswirkungen der Pandemie.

 Martin Hamburger

Martin Hamburger

Foto: Bettina Osswald, Wuppertal_0160/Bettina Osswald_www.photographie

Damit hatte ich nicht gerechnet: Als sich vor einem Jahr die Pandemie immer deutlicher entwickelte, warnten zwar einige Fachleute: Das geht nicht so schnell vorbei. Der Marathonlauf wurde immer als Vergleich herangezogen. Ehrlich, ich habe es letztes Jahr nicht geglaubt. Zum Herbst, zu Weihnachten, auch noch am Anfang dieses Jahres dachte ich: Jetzt muss doch bald der Spuk vorbei sein, spätestens jetzt, nach einem Jahr, zu Ostern. Aber wir alle stecken immer noch mittendrin – in Deutschland, in Europa und überall auf der Welt. Das bringt weiterhin große Gefahren und deutliche Einschränkungen für jeden von uns mit sich, viele Verlierer, aber auch einige Gewinner der Pandemie sind schon auszumachen.

Und es zeichnen sich auch immer mehr die dauerhaften Verlierer dieser Krise ab, auch bei uns in Deutschland. Es sind diejenigen, die nach Ende der Beschränkungen nicht einfach zur Normalität übergehen können, die für ihr Leben einen bleibenden Schaden mit sich tragen. Ich möchte deshalb den Blick auf diejenigen lenken, die sich nicht lautstark artikulieren können, auf diejenigen, die keine Interessenvertretung haben, für die kein Rettungsschirm aufgespannt wird. Es sind diejenigen, die keinen Druck auf die Politik ausüben können. Viele Kinder und Jugendliche in prekären Lebenssituationen und auch sozial schwache Erwachsene sind es bereits gewohnt, die letzten zu sein, sie resignieren und werden durch Corona weiter abgehängt.

Aus christlicher Sicht gehen wir in diesen Tagen auf den Höhepunkt der Passionszeit zu. Bald ist Karfreitag. Welche Bedeutung hat dieser Tag? Vielen Zeitgenossen erschließt sich der Sinn des Todes von Jesus Christus an einem Kreuz nicht mehr. Man kann heutzutage mit diesem Feiertag wenig anfangen. Da bietet die Pandemie eine unerwartete Gelegenheit der Sinngebung. Christinnen und Christen glauben, dass da, am Karfreitag vor 2000 Jahren, vor den Toren Jerusalems, Gott selbst das Leiden der Menschen auf sich genommen hat. Stellvertretend für alle, die ihre Stimme über das Unrecht nicht erheben können, die sich nicht gegen die Mächtigen wehren können, die keinen kennen, der sich um ihre Belange kümmert, stellvertretend für sie alle verstummt Gottes Sohn Jesus Christus am Kreuz und stirbt.

Fragen Sie jetzt bitte nicht „warum?“ – ich weiß es auch nicht, warum Gott diesen Weg gewählt hat. Aber ich weiß etwas anderes: Unserem Gott, dem Schöpfer dieser Welt und aller Menschen, ist das Schicksal der Entrechteten nicht egal, das zeigt sein Sohn Jesus Christus, das zeigt sein Tod. Die dauerhaften Verlierer dieser Pandemie haben einen prominenten Fürsprecher, der mit ihnen an der Ungerechtigkeit leidet. Karfreitag lenkt den Blick auf Gott, dem es wirklich ernst damit ist, dass kein Mensch zurückgelassen wird. Und es lenkt den Blick auf all die Menschen in unserer Stadt Wuppertal, die zu den dauerhaften Verlierern gehören. Lassen wir es nicht zu, dass ihr Leid ungehört bleibt, um Gottes Willen!

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