Für 2.790 Senioren reicht die Rente nicht zum Leben

Wuppertal. Sie leben von 347 Euro im Monat und ihre Zahl wird steigen: Wuppertaler über 65 am Rande der Armut.

Rund 75.000 Menschen, die 65 Jahre alt und älter sind, leben heute in Wuppertal. Vielen von ihnen geht es gut, sie sind finanziell abgesichert und genießen ihren verdienten Lebensabend. Aber es gibt auch betagte Wuppertaler, die am Rande der Armut leben und am Monatsende nicht mehr wissen, wovon sie ihr Brot bezahlen sollen.

2.790 Menschen über 65 Jahren in der Stadt leben von der Grundsicherung, der alten Sozialhilfe (1710 Frauen, 1080 Männer). Ihnen stehen neben der Miete 347 Euro pro Monat zur Verfügung - mehr als wenig, wenn man allein an den Anstieg der Lebensmittelpreise der letzten Zeit denkt.

Dass sich die Situation in der Zukunft weiter verschlechtern wird, liegt auf der Hand: Von den aktuell 31.352 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die Hartz-IV bekommen, sind knapp 7.000 50 Jahre und älter. Wenn sich an ihrer Situation nichts ändert, müssen sie langfristig mit einer Hunger-Rente auskommen. So hat der Deutsche Gewerkschaftsbund in der aktuellen Diskussion um die Altersarmut darauf hingewiesen, dass der Bezug von einem Jahr Arbeitslosenhilfe II nur 2,19Euro monatliche Rente bringt.

Aus Sicht von Uwe Temme, Leiter des Ressorts Soziales, ist die Wuppertaler Situation derzeit zwar noch nicht dramatisch, wird sich aber vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel weiter zuspitzen. "Das wird ein echtes Problem, die Schere wird sich weiter öffnen."

Bei der Wuppertaler Tafel und den Tafelläden in den Stadtteilen gehört das Thema Altersarmut längst zum Alltag: 15 bis 20 Prozent der Tafel-Gäste sind im Rentenalter, schätzt Tafel-Chef Wolfgang Nielsen. So wie die 70-jährige Hille Paech aus Oberbarmen, die von der Grundsicherung lebt und heute an der Lebensmittelausgabe eine der letzten ist - Obst und Gemüse gibt es für sie deshalb diesmal nicht mehr. "Ohne die Tafel käme ich nicht durch", sagt die alte Dame, die kein Einzelfall ist. Sie lebt alleine und ist fast blind.

"Ich kenne sehr viele alte Menschen, die gucken müssen, wie sie klar kommen. Ihr Geld reicht vorne und hinten nicht. Viele schämen sich allerdings, zu uns zu kommen", sagt Nielsen. Carl Kutzbach, ehemaliges Vorstandsmitglied, ist davon überzeugt, dass viele ältere Menschen gezielt am Essen sparen, um Geld für die Stromrechnung, den Abbau von Schulden oder andere Sonderausgaben zur Seite zu legen.

Beide befürchten, dass sich hinter zahlreichen Wohnungstüren eine noch viel größere Not abspielt: "Viele leben allein und hungern oder ernähren sich sehr einseitig, ohne dass wir überhaupt von ihnen wissen", sagt Nielsen.

Ähnliche Erfahrungen machen auch die Mitarbeiter in den Tafelläden. "Wer die Hemmschwelle überwindet und zu uns kommt, hat es bitter nötig", sagt Luisa Ohlbrecht vom Bürgerverein Langerfeld, die mittwochs im CVJM-Heim am Hedberg Lebensmittel verteilt. Rund ein Drittel ihrer 100 bis 130 Kunden sind im Rentenalter.

"Wenn einer mal nicht kommen kann, weil er krank war, merkt man das. Viele nehmen rapide ab und wir sehen ihnen an, dass sie lange kaum was gegessen haben", sagt Ohlbrecht. Bis zu 130 Menschen warten Montag für Montag am Tafelladen von Herz Jesu in der Nordstadt.

"Der größte Teil von ihnen ist über 55 Jahre alt", sagt Organisator Michael Preiss. Auch Regina Söltzer-Appel, Mitarbeiterin des Sozialkaufhauses Brockenhaus, sagt: "Zu uns kommen sehr viele ältere Menschen, die sich einfach nichts Neues mehr leisten können."

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