Wuppertaler weltweit Fremde Kulturen und Familien: Als Leih-Oma in Ägypten

Immer mehr Seniorinnen arbeiten als Granny Au-Pair im Ausland. Die Wuppertalerin Gisela Tscharnke hat diese Art des Reisens für sich entdeckt. Im Januar fliegt sie wieder nach Ägypten.

 Gisela Tscharnke mit Omar und Karim, Söhne einer befreundeten Familie (l.), und mit Adam, der ihr eine Rose zum Muttertag geschenkt hat.

Gisela Tscharnke mit Omar und Karim, Söhne einer befreundeten Familie (l.), und mit Adam, der ihr eine Rose zum Muttertag geschenkt hat.

Foto: ja/Tscharnke

Gisela Tscharnke hat eine Wand im Wohnzimmer mit einer Collage aus Fotos versehen. Auf ihnen sieht man ihre Söhne in Kapstadt, Bolivien und Rio de Janeiro, exotische Orte, Menschen mit anderer Hautfarbe oder sie selbst auf einem Kamel reitend vor den Pyramiden in Ägypten. „1974 habe ich zum ersten Mal auf einem Kamel gesessen. Das erste Mal ist immer etwas Besonderes“, sagt Gisela Tscharnke. Die 66-Jährige ist immer gerne gereist, als Rentnerin geht sie dieser Leidenschaft weiter nach – als Granny Au-Pair.

Zu den Aufgaben gehört es,
auf die Kinder aufzupassen

Au-Pairs sind meist junge Erwachsene, die vor dem Studium oder einer Ausbildung bei einer Gastfamilie im Ausland leben. Sie nutzen die Möglichkeit, für Verpflegung, Unterkunft und Taschengeld das Leben und die Sprache des Gastlandes kennenzulernen. Meist gehört zu ihren Aufgaben, auf die Kinder aufzupassen. In den vergangenen Jahren nutzen auch viele ältere Frauen ihre Erfahrung, um als „Granny Au-Pair“ ins Ausland zu gehen. Mehrere Agenturen mit Namen wie „Granny Au-Pair“ oder „Au Pair 50+“ haben sich darauf spezialisiert, den Kontakt zwischen den Familien und den deutschen Omas herzustellen. Die Kosten für den Flug und die Vergütung müssen die Frauen mit den Familien selbst aushandeln.

Gisela Tscharnke hat als Granny Au-Pair in England und in Ägypten gelebt, im Januar wird sie wieder nach Kairo fliegen, um eine Familie drei Monate zu unterstützen. „In der Stadt kenne ich mich aus“, sagt Gisela Tscharnke, die schon in jungen Jahren häufig in Ägypten war. Der Kontakt war 1960 über einen ägyptischen Studenten zustande gekommen, der bei ihrer Tante in Vohwinkel lebte. „Inzwischen ist er 77 Jahre alt. Ich habe immer noch Kontakt zu der Familie und kenne seine Kinder und Enkelkinder“, sagt Gisela Tscharnke.

Ägypten hat sie nie wieder losgelassen. „Ägypten ist anders. Die Menschen dort haben eine andere Denkweise. Das reizt mich“, sagt Gisela Tscharnke. „Nach Sydney fliegt man 20 Stunden und dann ist es dort wie in England.“ Sie selbst hat sich aber auch ein paar Regeln auferlegt. „Man muss sich anpassen und bescheiden auftreten“, sagt Tscharnke. Männern sollte man auch besser nicht widersprechen. Außer der fremden Kultur genießt es die Rentnerin vor allem, in das Familienleben integriert zu werden.

Tscharnke hat in Wuppertal
lange bei Bayer gearbeitet

„Ich bin gerne mit Kindern zusammen und lerne das Familienleben kennen“, sagt Gisela Tscharnke, die von den beiden Kindern Nada und Adam „Frau Gisela“ genannt wird. Die vier und sechs Jahre alten Kinder sollen mit Gisela Tscharnke Deutsch lernen. „In Ägypten ist es ein Prestige, auf die deutsche Schule zu gehen. Deshalb wollen die Eltern, dass ihre Kinder die Aufnahmeprüfung bestehen“, sagt Gisela Tscharnke, die nach der Schule mit den Kindern spielt. Weitere Bedienstete wie ein Kindermädchen aus Äthiopien, eine Köchin und die Putzfrau kümmern sich um die Versorgung der Familie.

Gisela Tscharnke, die lange bei Bayer in Wuppertal gearbeitet hat, lässt sich auf Begegnungen ein. In Wuppertal hat sie ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und in einer Schule gearbeitet. In Kairo nutzt sie den Minibus, um sich die riesige Stadt anzuschauen. „Ich brauche die Stadt. Auf dem Land würde ich eingehen“, sagt die Seniorin. Angst, dass ihr etwas passieren könnte, hat die schmale Frau nie. „Die Familie lebt im Botschaftenviertel, wo viele Europäer leben“, sagt sie. Gefährlich sei es im Verkehrschaos von Kairo nur, eine Straße zu überqueren.

Frauen, die überlegen, auch als Granny Au-Pair zu arbeiten, rät sie vorher mit den Eltern zu telefonieren. „Dabei merkt man schon, ob die Chemie stimmt.“ In Kairo suchten viele Eltern Granny Au-Pairs, die Deutsch sprechen. „Ich fände es toll, wenn es noch mehr Gleichgesinnte geben würde, die in Kairo leben wollen“, sagt Tscharnke.

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