FDP-Empfang: Kulturstreit im Musentempel

Michel Friedmann und Bazon Brock diskutierten über Multikulti. Das Thema war jedoch eher Nebensache.

Wuppertal. Der eine trägt zur sonnengebräunten Haut Designer-Anzüge und wird durch seine vier Leibwächter an Volumen und Körperlänge deutlich überragt. Der andere ist ein gefürchtetes Schwergewicht, der rote Hosenträger nachlässig unterm Sakko versteckt, die winterlich-bleiche Gesichtsfarbe passt zum dichten grauen Haar. Optisch trennen den Frankfurter Rechtsanwalt und Fernseh-Moderator Michel Friedmann und den Wuppertaler Professor für Ästhetik und Gestaltungstheorie Bazon Brock mehr als nur Nuancen, in ihren Theorien und Überzeugungen liegen die beiden Welten auseinander, auch wenn es wie am Wochenende im Von der Heydt-Museum um Multikulti geht. Was beide verbindet, ist ein überragendes rhetorisches Geschick, die Lust am Diskurs und gegenseitige Verachtung.

Über den Tellerrand gegenseitig in die Suppe gespuckt

Das macht sie zu idealen Kontrahenten, zu Duellanten. Wer Friedmann und Brock aufeinander hetzt, der kann sich reger Beachtung sicher sein, was gerade für die Liberalen existenziell wichtig ist. So ist die Rechnung der FDP-Ratsfraktion aufgegangen, die am Freitag das Wagnis eines Neujahrsempfangs mit Datum 23. Februar einging. Was die späte Einladung ins Von der Heydt-Museum entschuldigte, waren allein Form und Inhalt des Empfangs. Keine mit Selbstlob überladenen Bilanzen der kommunalpolitischen Arbeit, sondern ein "Blick über den Tellerrand". Dabei sollte es bewusst darum gehen, dass der eine dem anderen - um im Bild zu bleiben - gehörig in die Suppe spucken möge, eine Diskussion bis an die Schmerzgrenze ohne jede Anstandsregel. Das Thema ist bei einem so inszenierten Schlagabtausch nach Eitelkeitspunkten Nebensache. Diesmal war es Multikulti, hätte aber auch jedes andere sein können. Im Musentempel ging es um intelligente Provokation, um szenische Wirkung, um den Effekt. Friedmann und Brock scheinen von Natur aus in der Disziplin geübt, schon das Pseudonym Bazon, was so viel wie "Schwätzer" heißt, weist auf eine gewisse Vertrautheit des 70-Jährigen mit dem öffentlich geführten Diskurs hin. Und Friedmann? Jeder TV-Zuschauer weiß, dass es die Gäste in seinen Talk-Shows schwer haben, neben dem Moderater aufzufallen. Dazu kommt, dass es am Freitag nicht zur ersten Begegnung kam. Bereits 2001 übten sich Friedmann und Brock im sprachlichen Kräftemessen. Wuppertal war quasi die Fortsetzung eines Duells mit Ausgang Unentschieden.

"Was ist aus Multikulti geworden - wie viel Fremdheit ertragen wir?", lautete also das Motto. Und so mancher der 400 Gäste mag sich am Ende der Veranstaltung gefragt haben: Wie viel Brock und Friedmann ertragen wir?

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