Offen gesagt Es kann nur besser werden

Arndt Kirchhoff gehört üblicherweise nicht zu den Lautsprechern im Lande. Als Lobbyist für Unternehmer und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen führt deren Präsident eher das Florett. Den schweren Säbel holen solche Leute eher selten heraus.

Wenn sie es tun, dann spricht daraus pure Verzweiflung oder empfundene Machtlosigkeit, was bei Lobbyisten üblicherweise dasselbe ist. Wenn nun dieser Arndt Kirchhoff ausholt, um mit voller Wortgewalt auf die Macher und Entscheider in Rathäusern und Stadträten einzudreschen, dann muss der Leidensdruck übergroß sein. Es sei ein schwerer Fehler, „wenn in Räten und Verwaltungen der Gemeinden Wirtschaftspolitik ‚nur nebenbei‘ erledigt“ würde, sagte er am vergangenen Aschermittwoch. Das ist der Tag, an dem Parteipolitiker regelmäßig zur Generalabrechnung mit dem Gegner ansetzen, und diesmal hat eben auch der NRW-Unternehmerpräsident unüberhörbar mitgemischt. Kirchhoff tat das übrigens nicht in Wuppertal. Dabei steht diese Stadt wie eine Eins Pate für seine Kritik - in Schulnoten ausgedrückt wie eine Sechs, versteht sich. Leider. Einziger Unterschied ist, dass hier nicht der Eindruck entsteht, dass Wirtschaftspolitik „nur nebenbei“ gemacht wird, in Wuppertal entsteht der Eindruck, dass sich überhaupt niemand darum kümmert. Das hat eine nun schon bedrückend lange Tradition und ist mit der Gründung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft vor ein paar Jahren nicht einmal ansatzweise übertüncht worden. Wirtschaftspolitik findet schlicht nicht statt, das hat sie mit Stadtentwicklungspolitik gemeinsam. Unter dem Strich führt beides dazu, dass Wuppertal in den allermeisten Städtevergleichen über Zukunftsfähigkeit unter „ferner liefen“ geführt wird.

Solche Statistiken und Tabellen gibt es mittlerweile zuhauf schwarz auf weiß. Aber im Rathaus scheint sie niemand zu lesen. Statt dessen regiert Kollege Zufall. Zufällig braucht ein Bauschuttentsorger ein wenig mehr Fläche, also bekommt er das alte Metro-Gelände in Langerfeld. Zufällig sucht Amazon noch einen Umschlagplatz für seinen Online-Handel, also wird dafür ein Grundstück hergegeben. Mal verkaufen Privatleute, mal macht es die Stadt selbst. Aber das Ergebnis ist immer dasselbe. Viel Fläche für wenige Arbeitsplätze – das Speditions-Phänomen.

Am Beispiel von Amazon wird die Verschwendung eines in Wuppertal äußerst knappen Gutes, nämlich Gewerbeland, besonders augenfällig. Der US-amerikanische Online-Handelsriese errichtet ein Gebäude mit einer Fläche von 7800 Quadratmetern. Er will darin 160 Menschen beschäftigen. Das bedeutet, dass auf einen Arbeitsplatz gut 48 Quadratmeter entfallen. Hinzu kommt noch das Außengelände, über dessen Größe es noch keine Angaben gibt. Aber klein kann es nicht sein. Denn dort sollen immerhin annähernd 400 Autos parken können, in denen die Päckchen und Pakete zum Kunden gebracht werden. Beim Bauschuttentsorger in der Nachbarschaft von Amazon dürfte das Verhältnis von Arbeitsplatz zu verbrauchter Fläche vermutlich noch schlechter sein.

All das geschieht lediglich nach dem alten Sprichwort, nach dem der Spatz in der Hand mehr wert ist als die Taube auf dem Dach. Wohin dieses hoffnungslos unambitionierte Treiben führt, lässt sich in den Statistiken des Arbeitsamtes und des Jobcenters ungeschminkt ablesen. Arbeitslose, Aufstocker, Hartz-IV-Empfänger – in diesen Tabellen belegt Wuppertal Spitzenplätze.

Deshalb hätte Arndt Kirchhoff seine Aschermittwochsrede ebenso gut in der Stadt mit der weltberühmten Schwebebahn halten können. Denn die feiert das Engels-Jahr. Und es wäre kein Fehler, wenn es neben Sozialismus-Romantik und Heldenverehrung dann und wann auch einmal um die gute alte Soziale Marktwirtschaft gehen könnte. Friedrich Engels hätte sicher nichts dagegen.

Gemessen an der Ausgangslage hat der Dezernent für Wirtschaft und Arbeit, den die Grünen mit Hilfe der CDU installierten, ab Sommer im Grunde leichtes Spiel. Es kann nämlich nur noch besser werden. Daran allerdings wird Arno Minas sich messen lassen müssen. Und mit ihm alle, die in Wuppertal für Wuppertal politische Verantwortung tragen.

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