Wuppertal Institut Energiemangel führt weltweit zu mittelalterlichen Zuständen

Gastbeitrag Bezahlbare und nachhaltige Energie für alle Menschen ist möglich, sagt das Wuppertal Institut.

 Das Wuppertal Institut am Döppersberg.

Das Wuppertal Institut am Döppersberg.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Plötzlich fällt der Strom aus und damit auch der Kühlschrank und das Internet – das hat fast jeder schon einmal erlebt. Oft dauert der Zustand nur einige Minuten, aber sobald es mehrere Stunden werden, ist Improvisation gefragt. Um etwas Warmes essen zu können, kommt kurzzeitig Urlaubsstimmung auf, wenn der Campingkocher hervorgeholt wird. Was aber, wenn das Leben dauerhaft ohne Steckdose funktionieren muss und täglich noch eine stundenlange Suche nach Feuerholz dazu kommt, ehe Essen zubereitet werden kann?

So unwirklich diese Vorstellung ist, so real ist dies für weltweit 38 Prozent der Menschen: Rund 2,7 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu moderner und sauberer Energie. Zudem kommen 860 Millionen Menschen dazu, die keinen stabilen Stromzugang haben – das sind weltweit 16 Prozent. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, haben 2015 die Weltgemeinschaft und die Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) verankert, wovon das 7. Ziel bis 2030 vorsieht, den Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle zu sichern. Aktuelle Entwicklungen und jüngste Zahlen der Vereinten Nationen zeigen jedoch, dass dieses Ziel eindeutig verfehlt wird, da die Zahlen stagnieren.

Die Folgen des Energiemangels sind immens, denn das tägliche Leben dreht sich vor allem um die Erfüllung der Grundbedürfnisse, was ohne Energie kaum möglich ist. Auch Krankenstationen können nur eingeschränkt arbeiten. Die Initiative „Wisions of Sustainability“ des Wuppertal Instituts beschäftigt sich daher seit über 15 Jahren intensiv mit diesem Thema des weltweiten Energiemangels und analysiert nicht nur theoretisch, welche nachhaltigen Energielösungen möglich sind. Die Initiative hat mit finanzieller Förderung einer Schweizer Familienstiftung bisher gemeinsam 130 Projekte und Austauschaktivitäten umgesetzt. Wichtigste Erkenntnis: Es kommt nicht allein auf die installierte Technologie an. Die Projekte müssen mit den Menschen vor Ort gemeinsam geplant und umgesetzt werden. Um langfristig positive Effekte zu erzielen, sind hierfür drei Dinge maßgebend: die Energieressource, wie Biomasse oder ganzjährig fließende Gewässer, geschulte Menschen, die die Technologien bedienen und reparieren können, sowie Gelder für die Instandhaltung.

Da diese Grundregeln leider nicht hinreichend beachtet werden, evaluiert das Wuppertal Institut beispielsweise technische und sozio-ökonomische Aspekte oder Veränderungen in Lebensumständen und im Management regelmäßig in Studien. Die gewonnenen Erkenntnisse verbreitet es unter diversen Akteuren – also Projektentwicklern, der Politik, Förderern – und unterstützt mit Netzwerken in Lateinamerika und Südostasien den aktiven Austausch. Auch wenn Energiemangel in Deutschland oftmals „weit weg“ oder surreal erscheint, sollten alle beim nächsten Funkloch oder einem verspäteten Zug wegen Stellwerksausfall kurz innehalten. Denn „bei stabiler Beleuchtung betrachtet“ sind das letztlich keine gravierenden Probleme.

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