Jobcenter-Deutsch Energiekosten-Hilfe in Wuppertal: Verstehen Bedürftige den Antrag nicht?

Wuppertal · Es gibt Kritik an der schwer verständlichen Form. Viele wissen nicht, welche Unterstützung ihnen zusteht.

Wenn das Geld knapp wird, hilft der Staat bei den Energiekosten.

Wenn das Geld knapp wird, hilft der Staat bei den Energiekosten.

Foto: dpa/Federico Gambarini

„Hallo, ich weiß wirklich nicht mehr weiter. Ich lebe von Hartz 4 und hab‘ auch jede Menge Schulden. War davor selbstständig und durch Corona ging leider die Firma kaputt. Ich habe eine Nachzahlung von über 300 Euro bekommen von meinen Stromanbieter. Ich weiß nicht, wie ich es zahlen soll und auf eine kleine Ratenzahlung wollen die nicht eingehen.“ Ein Hilferuf, der bei der Hilfsorganisation „Wuppertaler in Not“ einging. Und nach Angaben der ehrenamtlichen Geschäftsführerin Christina Rogusch kein Einzelfall: „Wir haben derzeit sehr viele Anfragen zu Energie und Wohnnebenkosten.“

Wärmewinter
der Diakonie

Wer durch höhere Energiekosten, etwa eine Nachzahlung, in Not gerät, kann dafür einmalige Hilfe beim Jobcenter beantragen. Von der Internetseite des Jobcenters kann ein entsprechender „Kurzantrag“ mit dem Namen „Vereinfachter Antrag auf Bürgergeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)“ heruntergeladen werden. Christina Rogusch befürchtet, dass es vielen Betroffenen nicht leicht fällt, dieses sechs Seiten lange Formular auszufüllen. Es sei in dem üblichen behördenmäßig umständlichen Deutsch verfasst. Es stellt Fragen nach persönlichen Daten.

Und dann geht es um das, was die finanziellen Probleme macht: Miete und Heizkosten. Sätze wie „Bitte fügen Sie den Abrechnungszeitraum betreffende Nachweise (Mietvertrag, Erhöhungsschreiben der Abschläge oder Vorauszahlung oder Kontoauszug und Abrechnung/Rechnung Heizmaterial) mit Angabe der jeweiligen Fälligkeit bei“ sind für Menschen, die nicht täglich mit Schriftdeutsch umgehen, eine Herausforderung.

Auch das zugehörige Merkblatt ist in Juristendeutsch verfasst. „Ich glaube nicht, dass jemand den Sinn entnehmen kann“, sagt die Geschäftsführerin. Sie wünscht sich ein Merkblatt in unterschiedlichen Sprachen: „Man könnte es den Menschen leichter machen.“

Jobcenter-Chef Thomas Lenz verteidigt die Form des Antrags: „Das ist der Kurzantrag, den wir mit dem Land abgestimmt haben.“ Eine solche vereinfachte Form des Antrags sei nicht selbstverständlich. „Der richtige Antrag ist viel differenzierter.“ Es habe wochenlange Verhandlungen gebraucht, sich auf die vorliegende Form zu einigen. „Viele Jobcenter nutzen diese Kurzform nicht.“

Das Jobcenter bemühe sich zudem immer wieder, Texte zu vereinfachen. Doch die Texte müssten auch juristisch richtig sein. „Wir haben gerade wieder eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um Schreiben zu vereinfachen.“

Anträge auf einmalige Hilfen wegen der Energiekosten sind noch nicht viele beim Jobcenter angekommen: „Das spielt faktisch noch keiner Rolle“, sagt Thomas Lenz. Insgesamt seien bisher 20 Anträge eingegangen. In den meisten Fällen waren die Antragsteller Personen, die bereits Leistungen vom Jobcenter beziehen und jetzt einmalig einen höheren Bedarf haben, etwa wegen einer Nachforderung.

Lenz erklärt: „Wichtig ist das persönliche Gespräch.“ Alle Antragsteller erhielten nach Eingang ihres Antrags eine Einladung ins Jobcenter. Dann könnten alle Fragen besprochen werden. Im Grunde reiche daher auch ein formloser Antrag.

Diakoniedirektorin Sabine Federmann berichtet, dass ihre Beratungen immer mehr Menschen mit finanziellen Problemen aufsuchen – wegen steigender Energie-, aber auch allgemein steigender Kosten. Und dass viele nicht wüssten, dass sie Anspruch auf staatliche Leistung haben – von Wohngeld über Kinderzuschlag bis zu den einmaligen Hilfen.

Die Diakonie hat deshalb ihr neues Beratungsangebot „Wärmewinter“ eingerichtet: In Vohwinkel, Elberfeld und Wichlinghausen können sich Menschen helfen lassen, Unterstützung zu beantragen – ebenfalls im persönlichen Gespräch. Dafür ist eine Anmeldung erforderlich, entweder telefonisch unter der Nummer 97 64 82 88 oder per Mail an

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