EM: Türken feiern den deutschen Sieg

Fans beider Mannschaften feierten ausgelassen und friedlich den Einzug ins Finale – bis in die frühen Morgenstunden.

Wuppertal. Es war die reinste Fußballparty: Sowohl an der Uni als auch in der Elberfelder Innenstadt herrschte am Abend des Halbfinales absoluter Ausnahmezustand (zum Video-Mitschnitt klicken Sie hier).

Die Uni-Mensa platzt aus allen Nähten. Überwiegend deutsche Fans warten bei gefühlten 50 Grad Raumtemperatur gespannt bis zur Übertragung auf den vier Großbildleinwänden. Auf die etwa 900 deutschen Fans kommen 100 türkische. Kurz nach dem Führungstreffer der Türken herrscht Trübsal, an manchen Ecken ist die Stimmung gereizt. Das deutsche Anschlusstor bringt dann die vorläufige Erleichterung und eine ausgelassene Feier, die bis zum 2:2 Ausgleich der Türkei nur vom Bildausfall gestört wird.

Auch im Luisenviertel geht die Post ab: Köhler, Viertelbar, Beatz und Kekse, überall sitzen und stehen die Fans dicht aneinander gedrängt und verfolgen unruhig das Geschehen. Bei Spielende ist die Erleichterung groß. Aus allen Kneipen stürmen die Fans auf die Straße. "Klar haben wir verdient gewonnen" sagt Sebastian Winter freudestrahlend und gibt dann zögerlich zu: "Na ja, vielleicht doch nicht ganz, aber egal, jetzt wird erst mal gefeiert." Er zieht mit einem großen Trupp in Richtung Döppersberg. Ihm folgen ganze Karawanen, quer über den Laurentiusplatz in Richtung Innenstadt.

Weiträumig abgesperrt, kriecht der Verkehr am Döppersberg, um schließlich doch im Auto-Korso zu enden. Die Fans schwenken Fahnen und entzünden bengalische Feuer. Auch ein Polizeiwagen steht im Stau und wird von den Fußballfans mit ihren Fahnen komplett eingedeckt. Thomas Bluszcz kommentiert das Spektakel euphorisch: "So etwas haben wir in Wuppertal selten gesehen." Der türkische Fan Atakan Golcan weiß hingegen nicht, ob er lachen oder weinen soll: "Die Türken haben gut gespielt, wir müssen uns nicht verstecken. Aber es ist trotzdem traurig, dass wir nicht gewonnen haben."

Natalie Lugge ist zum ersten Mal bei solch einer großen Fußballparty dabei. Sie ist ein wenig besorgt: "Ich habe etwas Angst, dass hier eine Prügelei entsteht." Ihr Bruder Matthias kann die Meinung nicht teilen. "Ich finde die Party super. Die Türken freuen sich doch mit uns", sagt er.

Das sehen nicht alle türkischen Fans so. Einige sitzen, die Köpfe gesenkt und mit den Händen vor dem Gesicht, am Straßenrand. Sie möchten einfach in Ruhe gelassen werden. Einer von ihnen steht enttäuscht am Rande des Geschehens. "Schade", meint er, "aber es ist okay." Morgen geht er in die Stadt und kauft sich eine neue Fahne. "Im Finale bin ich für Deutschland." So einfach ist das.

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