Eldbjørg Hemsing begeistert mit Perfektion
Die berühmte norwegische Violinistin und das Junge Orchester NRW spielten unter Ingo Ernst Reihl in der Historischen Stadthalle.
Spätromantische Musik - wobei Epochenbezeichnungen immer etwas trügerische Schubladen sind - hat in seiner Wirkung Ähnlichkeiten mit süßlichem Sekt. Steigt sofort zu Kopf, euphorisiert, lässt einem auch mal melancholisch werden, schnell ist man im Delirium und hebt in himmelhochjauchzende Höhen ab. Eine Übersättigung kann zu bösem Erwachen führen. Wie der besagte Tropfen hat auch jene Musiksprache enthusiastische Freunde, aber auch genügend Verächter, denen das ganze doch zu süffig ist. Auf die Qualität kommt es an und wie beim Sekt ist bei den Werken in jenem Geiste, die teilweise bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts an dem Rezept der Vorväter festhielten, der eine oder andere Fusel dabei.
Ingo Ernst Reihl hat nun erneut mit seinem Jungen Orchester NRW, eindrücklich unter Beweis gestellt, dass er definitiv zu den unbeirrbaren Freunden dieser Musik gehört. In der Historischen Stadthalle ließ er dem vollen Klang freien Lauf. Trumpfte mit überbordendem Forte auf, suchte mit seinen Musikern von schwergewichtigem Blech getragene Klanggewalt. Reihl sieht sich zudem ganz offenbar in der Tradition Mahlers.
Das Orchester - bestehend aus begabten Schülern, Studenten und jungen Berufstätigen - spielt immer wieder die Werke jenes überragenden Meisters, wird nächstes Jahr seine 3. Symphonie zur Aufführung bringen. Reihl scheut sich nicht, wie sein Vorbild seinerzeit auch, in die Partitur der Werke einzugreifen. Beispielsweise Kürzungen, wie bei Ottorino Respighis Preludio, Corale e Fuga P.30, das den Auftakt des fulminanten Konzertes bildete - in dem schlicht große Teile der Fuge dem Strich zum Opfer fielen -, passen in das Bild.