Eine politische Bierprobe

Die Friedrich-Naumann-Stiftung lud zur Diskussion über Nachwuchs im Handwerk ein. Kreishandwerksmeister warnt vor Problemen bei der Firmenübergabe.

Eine politische Bierprobe
Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Wenn Arnd Krüger in die nähere Zukunft schaut, dann sieht er dunkle Wolken aufziehen. „In zehn Jahren haben wir ein Riesenproblem“, sagt der Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Solingen-Wuppertal. Bis dahin könne nämlich gut einem Drittel der derzeit 4300 Handwerksbetriebe in Wuppertal das Ende drohen - weil sie keinen Nachwuchs finden und weil zu wenig junge Leute bereit sind, sich als Meister selbstständig zu machen und einen eigenen Betrieb aufzubauen. Deshalb sei es jetzt wichtig, für das Handwerk zu werben und die Chancen deutlich zu machen, die eine Ausbildung in diesem Bereich bietet. Die Brandrede, die der Kreishandwerkermeister hält, stößt am vergangenen Freitagabend auf offene Ohren.

Im Brauhaus referiert Krüger auf Einladung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung im Brauhaus zum Thema „Nachwuchs im Handwerk in Zeiten von Akademisierung und Fachkräftemangel“. Etliche Handwerker und auch Vertreter der FDP sind unter den etwa 50 Besuchern - darunter auch das Landtagsmitglied und der FDP-Kreisvorsitzende Marcel Hafke sowie der Kandidat für die anstehende Bundestagswahl, Manfred Todtenhausen. Bislang ist die FDP ja nicht unbedingt als Partei der Handwerker bekannt.

Dass eine Volkswirtschaft aber ohne ein solides Handwerk nicht bestehen kann, ist an diesem Abend allgemeiner Konsens. Für Krüger ist es deshalb unabdingbar, dass die Handwerkerschaft für sich und ihre Anliegen wirbt, für die Möglichkeiten und Chancen, die dieses Metier bietet. Dazu gehört es auch, verstärkt Studienabbrecher für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Eine stärkere öffentliche Anerkennung des Ausbildungssystems sei in diesem Zusammenhang nötig. „Das Duale System muss die gleiche Wertigkeit haben wie die universitäre Bildung“, sagt er. Immerhin bilde das Handwerk in Solingen und Wuppertal zwischen 400 und 500 junge Leute pro Jahr aus.

Damit das alles nicht zu trocken herüberkommt, können die Besucher am Abend zwischen den Vorträgen in drei Runden im Brauhaus hergestelltes Bier kosten. Nebenbei erfahren sie dann auch, wie schnell ein traditionelles Handwerk von der Bildfläche verschwinden kann: Wuppertal war einmal eine Hochburg der Brauereien mit Dutzenden Betriebsstätten, mittlerweile ist nur eine größere - eben jene im Brauhaus - erhalten geblieben. Weil aber ein Labor fehle, könne das Brauhaus keine Lehrlinge zum Brauer ausbilden, sagt Braumeister Erik Grunewald.

Zum Thema „Nachwuchsgewinnung“ nimmt der gelernte Kaufmann für Marketingkommunikation und Personal-Trainer, Christopher Schauf, Stellung. Er empfiehlt den anwesenden Handwerkern nachdrücklich, mehr über die „sozialen Medien“ nach der jungen Generation zu suchen und dort für ihre Unternehmen zu werben.

Zudem rät er den Geschäftsinhabern, bei der Bewertung der jungen Leute nicht mehr die Maßstäbe der Vergangenheit anzulegen. „Die Leute gehen heute anders an die Sachen heran als früher“, sagt er. Es sei „unabdingbar“, die Sprache der Jugend zu kennen, um den Nachwuchs für sich zu gewinnen. „Sie müssen eine Persönlichkeit werden, mit der sich potenzielle Azubis identifizieren können.“ Ob dazu allerdings das dauernde Bespielen von sozialen Netzwerken gehört, daran äußern denn doch viele Besucher Zweifel.

Den Blick aufs große Ganze der Politik wirft zum Abschluss Manfred Todtenhausen. Der Bundestagskandidat verweist nicht ohne Stolz darauf, dass er während seiner Zeit im Bundestag der einzige Handwerksmeister im Bundestag war. Diese Expertise möchte der Elektromeister nun wieder einbringen und hofft darauf, im September wieder den Sprung ins höchste deutsche Parlament zu schaffen. „Die Politik muss Wegbereiter sein“, sagt er - ganz dem liberalen Denken verschrieben. Sie müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass sich viele Menschen selbstständig machten. Ein weiterer Punkt: der Abbau der Bürokratie. Um sich in Deutschland selbstständig zu machen, seien neun Behördengänge nötig, das ganze Prozedere nehme 14 Tage in Anspruch — in Estland sei der ganze Vorgang dagegen innerhalb einer Viertelstunde erledigt.

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